Gelegentlicher Alkohol- oder Cannabiskonsum allein stellt keinen Grund zum Entzug der Fahrerlaubnis dar. Wer hingegen beide Substanzen einnimmt, der muss seinen Führerschein abgeben, und zwar auch dann, wenn er im Straßenverkehr stets nüchtern ist. Das hat das BVerwG gestern entschieden. Adolf Rebler hält das Urteil für konsequent und wenig überraschend.
Der Kläger in dem Verfahren hatte zugegeben, auf Partys Cannabis zu konsumieren und dazu auch ganz gern ein paar Drinks zu kippen. Die Fahrerlaubnisbehörde hatte ihm daraufhin die Fahrerlaubnis entzogen. Sie sah die Voraussetzungen für einen Entzug nach § 46 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als gegeben an. Danach liegt eine Fahreignung trotz Cannabiskonsums nur dann vor, wenn der Konsum des Rauschmittels und die Teilnahme am Straßenverkehr strikt getrennt werden und der Betroffene zudem keinen Alkohol konsumiert.
Der Mann hatte gegenüber der Behörde geltend gemacht, dass sein Cannabiskonsum inzwischen beendet sei, weigerte sich jedoch, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zum Beweis dieser Tatsache vorzulegen. Die Fahrerlaubnisbehörde ging deshalb gem. § 11 Abs. 8 FeV nach wie vor von seiner Ungeeignetheit aus und rückte den Führerschein nicht wieder raus.
VGH: Pauschaler Fahrerlaubnisentzug bei Mischkonsum unverhältnismäßig
Nachdem der Mann mit seiner Klage in erster Instanz abgeblitzt war, hatte er beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) mehr Erfolg. Der VGH hielt die Anforderung eines Gutachtens für nicht gerechtfertigt; dementsprechend liege in der Weigerung des Mannes auch kein Verhalten, das seine mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen könne.
Nach Meinung des VGH war bereits der ursprüngliche Entzug der Fahrerlaubnis rechtswidrig. Zwar stimme das Vorgehen der Behörde mit dem Wortlaut der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV überein, wonach der Entzug der Fahrerlaubnis bei Mischkonsum ausdrücklich geboten sei. Die Vorschrift müsse indes einschränkend ausgelegt werden; ein Entzug der Fahrerlaubnis sei nur dann verhältnismäßig und damit verfassungskonform, wenn zu befürchten stünde, dass der Konsument unter dem Einfluss von Cannabis und Alkohol auch am Straßenverkehr teilnehme. Dies sei beim Kläger aber gerade nicht der Fall.
BVerwG: Gesetzgeberische Entscheidung ist zu respektieren
Dieser Interpretation erteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun eine klare Absage (Urt. v. 14.11.2013, Az. 3 C 32.12). Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift ist danach kein Raum. Der Verordnungsgeber habe sich innerhalb des ihm zustehenden Spielraums bewegt, als er beschlossen habe, der durch die kombinierte Rauschwirkung von Cannabis und Alkohol hervorgerufenen, stärkeren Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit pauschal Rechnung tragen.
Für diese gesetzgeberische Entscheidung spiele auch keine Rolle, ob ein solcher Mischkonsument typischerweise eine höhere Bereitschaft aufweise, in berauschtem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen, als jemand, der "nur" gelegentlich Cannabis konsumiert (und somit nach der Anlage 4 nicht automatisch als ungeeignet gilt).
Eigentlich kein überraschendes Ergebnis
Die Entscheidung des BVerwG ist nur konsequent. So entspricht es bei harten Drogen (Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes) der einheitlichen Rechtsprechung, dass – im Gegensatz zum "bloßen" Konsum von Cannabis – die Fahreignung unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, der tatsächlichen Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand oder der Erkennbarkeit konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen entfällt.
Hat beispielsweise jemand Amphetamin (Crystal, Speed) genommen, ist er für mindestens ein Jahr seine Lappen los – und kriegt ihn auch danach nur wieder, wenn er während dieser ganzen Zeit nachweislich clean geblieben ist. Gestützt wird dieses Ergebnis auf Nr. 9.1 der Anlage 4, die die Fahreignung bei (bloßer) "Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis)" entfallen lässt.
Genauso wörtlich wie die Nummer 9.1 ist dann auch die Nummer 9.2.2 der Anlage 4, welche den Mischkonsum von Cannabis und Alkohol betrifft, zu nehmen. Einen Spielraum lässt die Regelung nicht zu. Ist bei einer Norm aber kein (Auslegungs-)Spielraum mehr vorhanden, führt ein unverhältnismäßiges Ergebnis nicht zur einschränkenden Auslegung, sondern zur Nichtigkeit der Vorschrift. Auch dies allerdings nur dann, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber seinen (erheblichen) Gestaltungsspielraum überschritten hätte – was nach Ansicht des BVerwG bei Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV aber nicht der Fall ist.
Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, Fahrerlaubnisentzug bei Mischkonsum: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10063 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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