2/2: (ZÜ) Keine Information über Voranfragen
Bei einem zweiten wichtigen Punkt zieht sich Karlsruhe aber wieder auf formale Argumente zurück: Antworten der beteiligten Ministerien auf sogenannte Voranfragen werten die Richter nicht als eine abschließende Entscheidung, über welche die Abgeordneten auf Nachfrage zu informieren sind. Mit der Voranfrage können interessierte Unternehmen bereits vorab prüfen lassen, ob ein projektierter Export rechtlich und politisch überhaupt möglich ist.
Die Voranfrage ist ein wichtiges Instrument, angesichts dessen, dass den Entscheidungen über die Vergabe von Rüstungsaufträgen oft sehr langwierige Vergabeverfahren und Verhandlungen vorausgehen. Die Behörde teilt in einer positiven Antwort dann mit, dass sie die Ausfuhr grundsätzlich für genehmigungsfähig hält, sofern sich an den allgemeinen Umständen, etwa in dem Empfängerland, nichts Wesentliches ändert.
Damit ist die Antwort auf eine Voranfrage eine Selbstfestlegung der Behörde und erzeugt ebenfalls eine zumindest faktische Präjudizwirkung für die spätere Genehmigungsentscheidung. Die Wertung des Gerichts, Voranfragen nicht als Entscheidung zu betrachten, die vom parlamentarischen Informationsrecht umfasst sind, ist insofern eher praxisfern. Immerhin haben die Verfassungsrichter en passant aber auch die bislang nicht geklärte Frage beantwortet, ob positive Antworten auf Voranfragen rechtlich bindend sind. Sie sind es nicht.
Wer entscheidet, wann das Staatswohl gefährdet ist?
Schließlich ziehen die Verfassungsrichter dem Informationsanspruch der Abgeordneten bezüglich der abschließenden Rüstungsexportentscheidungen noch zwei weitere Grenzen.
Die erste Limitierung ergibt sich aus den Grundrechten der Exporteure, vor allem in der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die unter anderem die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen schützt. Dies muss die Bundesregierung berücksichtigen, wenn sie entsprechende parlamentarische Anfragen beantwortet. Konkret bedeutet dies, dass es nicht möglich sein darf, aus einer Antwort Rückschlüsse auf vertrauliche Informationen wie etwa den Stückpreis bestimmter Güter zu ziehen. In klassischer Manier bringt das Gericht hier die widerstreitenden Verfassungsgüter von Berufsfreiheit und parlamentarischem Informationsanspruch zum Ausgleich.
Die zweite Grenze, die Karlsruhe der Wissbegier der Abgeordneten zieht , ist problematischer: Der Informationsanspruch der Volksvertreter ende ausnahmsweise und in Einzelfällen dort, wo er das Staatswohl zu gefährden beginne, so das Gericht. Dies könne etwa der Fall sein, wenn sich aus dem Bekanntwerden der erfragten Information diplomatische Komplikationen mit dem Empfängerland oder anderen Staaten ergeben würden. Zwar könne dem grundsätzlich mit den Geheimschutzmaßnahmen begegnet werden, die der Bundestag geregelt hat. Diese könnten aber im Einzelfall unzureichend sein, so dass ein Informationsanspruch ausscheide.
Hier liegt ein Problem der Entscheidung, denn es ist die Bundesregierung, die vom Gericht zu einer Beurteilung ermächtigt wird, ob es das Staatswohl gefährde, das Parlament zu informieren. Eigentlich aber – und so auch stets das BVerfG – soll ja ein informiertes Parlament kontrollieren, ob die Regierung im Sinne des allgemeinen Wohls handelt. Insofern überrascht diese Passage des Urteils und stellt eine gewisse Abkehr von der generell das Parlament stärkenden und zugleich in die Verantwortung nehmenden Tendenz der jüngeren Entscheidungen dar.
Insgesamt allerdings wird das Urteil die Kenntnislage des Parlaments etwas verbessern. Dieses hat nun bereits einen Anspruch auf Information, sobald der Bundessicherheitsrat entschieden hat und nicht erst, wenn die eigentliche Genehmigung ergangen ist.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sebastian Roßner, BVerfG zu Transparenz bei Rüstungsexporten : . In: Legal Tribune Online, 21.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13547 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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