Bundesratsentwurf: Mit Kanonen auf das Waf­fenG

von Dr. Hans Scholzen

11.11.2016

Nach dem Tod eines SEK-Beamten ertönte der Ruf nach einem schärferen WaffenG. Das ist auf EU-Ebene aber längst auf den Weg gebracht und der deutsche Begriff der Zuverlässigkeit regelt bereits alles, was nötig ist, meint Hans Scholzen.

Auf Grund des bekannt gewordenen Vorfalls, dass ein sogenannter Reichsbürger einen SEK-Beamten erschossen hat, forderte der Hessische Innenminister eine Verschärfung des Waffenrechts und die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses zur Verschärfung des Waffenrechts. Zur Begründung bezieht er sich darauf, dass die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen des Waffengesetzes reformbedürftig seien.

Das mehrfach geänderte und verschärfte Bundeswaffengesetz (WaffG) regelt den Zugang zu Schusswaffen und zur Erlangung einer entsprechenden Waffenbesitzkarte: Der Antragsteller muss das 18. Lebensjahr vollendet haben, die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) sowie die erforderliche Sachkunde (§ 7 WaffG) besitzen und ein Bedürfnis nachgewiesen haben (§ 8 WaffG).

Dezidierte Regelungen zur Zuverlässigkeit

Als Bedürfnisgrund ist anerkannt, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, vor allem als Jäger, Sportschütze, Brauchtumsschütze, Waffen- oder Munitionssammler, Waffen- oder Munitionssachverständiger, gefährdete Person, als Waffenhersteller oder- händler oder als Bewachungsunternehmer glaubhaft gemacht sind.

Dabei wird bei jedem Antragsteller die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG dahin überprüft, ob der Antragsteller, der Waffen erwerben möchte, bereits vorbestraft ist. Hierzu holt die zuständige Behörde eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein sowie aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister. Zudem werden Stellungnahmen der örtlichen Polizeibehörde eingeholt, ob dort Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bekannt sind.

Die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern wird verneint, wenn die Voraussetzungen in § 5 WaffG vorliegen. Zwingend umzuverlässig sind Personen, die rechtskräftig wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurden, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung noch nicht zehn Jahre verstrichen sind.

Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen, wenn der Waffenbesitzer oder Antragsteller bei einer vorsätzlichen Straftat oder bei fahrlässigen Straftaten wegen Verstoß gegen das WaffG, das Kriegswaffenkontrollgesetz, Sprengstoffgesetz oder Bundesjagdgesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens 2 mal  zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde. Darüber hinaus kann die Unzuverlässigkeit -ohne dass eine Verurteilung erfolgt ist- auch dann vorliegen, wenn der Waffenbesitzer wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der vorbezeichneten Spezialgesetze verstoßen hat.

Negative Zukunftsprognose und Gesinnungsprüfung

Eine weitere Variante führt ebenfalls zum Ausschluss der Zuverlässigkeit: Wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden, mit diesen Dingen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgegangen wird oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt werden, sowie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Diese Variante wird als negative Zukunftsprognose bezeichnet.

Daneben wird eine sogenannte "Gesinnungsprüfung" vorgenommen. Dies trifft etwa den hier erwähnten Fall des Reichsbürgers: Wer Mitglied in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbarem Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt oder in einer Partei war, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn  Jahre noch nicht verstrichen sind, ist nicht zuverlässig.

Die Unzuverlässigkeit wird auch angenommen, wenn jemand einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter diesen Varianten sind auch die Reichsbürger einzuordnen, wie einer aktuell hierzu ergangenen innenministeriellen Anweisung des Landes Bayern zu entnehmen ist.

Die ohne entsprechende Berücksichtigung dieser schon sehr dezidierten Regelung des WaffG geforderte Verschärfung des Zuverlässigkeitsparagraphen und die Behauptung, diese Voraussetzungen seien reformbedürftig, gehen ins Leere.

Auch bei weitergehenden Forderungen, die kürzlich noch bei einem Antrag vom 21. September 2016 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhoben worden und die einen Handlungsbedarf im Waffenrecht für mehr öffentliche Sicherheit zu erkennen glauben, fehlt ganz schlicht die Sachkenntnis.

Zitiervorschlag

Bundesratsentwurf: . In: Legal Tribune Online, 11.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21124 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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