BGH zum Recht der Richterablehnung: Wei­ter­ver­han­deln macht Befan­gen­heit­s­an­trag nicht unzu­lässig

von Benedikt Meyer

29.06.2016

2/2: Weiterverhandeln, ohne zu verhandeln?

Mit dem Sinn und Zweck von § 47 Abs. 2 ZPO scheint diese Ansicht kaum zu vereinbaren. Denn die Regelung soll es dem Gericht gerade ermöglichen, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zurückzustellen und die Verhandlung weiterzuführen.

Eine Fortsetzung  dürfte aber kaum sinnvoll möglich sein, wenn die ablehnende Partei an dieser nicht teilnehmen kann, ohne dass ihr Ablehnungsgesuch unzulässig wird. 

Dennoch ist das LG Kleve mit seiner Auffassung nicht allein. Dass eine Partei ihr Ablehnungsrecht verliert, wenn sie nach Anbringung weiterverhandelt, hatte – allerdings noch vor Einführung von § 47 Abs. 2 ZPO – beispielsweise das OLG Düsseldorf entschieden (Beschluss v. 16. 11. 2000, Az. 11 W 82/00). Und auch nach Einführung der Vorschrift wird diese Meinung von gewichtigen Stimmen in der Literatur vertreten.

BGH: Termin wird fortgesetzt, Partei behält Ablehnungsrecht

Die Gegenauffassung hatte erst jüngst das OLG Frankfurt in einem Beschluss vertreten (v. 17.12.2015, Az. 8 W 52/15). Dieser Auffassung hat sich nun auch der BGH angeschlossen und entschieden, dass das Ablehnungsgesuch zulässig bleibt, wenn die Partei danach zur Sache verhandelt. Auch in Zivilsachen kann das Gericht also nach einem Ablehnungsgesuch anordnen, dass der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt wird. Verhandelt die ablehnende Partei danach weiter zur Sache, verliert sie dadurch nicht ihr Ablehnungsrecht. 

Zweck der Regelung in § 43 ZPO sei es, die Parteien dazu anzuhalten, Zweifel an der Unbefangenheit des Richters alsbald kundzutun, damit nicht der Rechtsstreit unnötig verzögert und richterliche Arbeitskraft verschwendet wird. Die Vorschrift solle dagegen nicht jedwede Gefahr überflüssiger richterlicher Arbeit im Zusammenhang mit Ablehnungsgesuchen ausschließen, so die Karlsruher Richter. Werde gem. § 47 Abs. 2 ZPO weiterverhandelt, sei dem Gericht bewusst, dass ggf. ein Teil der Verhandlung wiederholt werden muss.

Dass eine Partei ihr Ablehnungsrecht nicht verliere, wenn sie danach weiter verhandele, stehe auch mit § 47 Abs. 2 ZPO im Einklang.  Einem Verfahrensbeteiligten sei es nicht zuzumuten, an einer wirksam fortgesetzten Verhandlung nicht teilzunehmen, nur um einen Verlust des Ablehnungsrechts zu verhindern. Denn werde das Gesuch zurückgewiesen, blieben die (unterlassenen) Prozesshandlungen wirksam.  

In der Sache hat der BGH  das Ablehnungsgesuch übrigens für unbegründet gehalten. Der Hinweis sei zwar "etwas ungeschickt wie ein Rat an den Kläger" abgefasst, halte sich aber noch im Rahmen der materiellen Prozessleitung. Der Beklagten sei es lediglich darum gegangen, wegen des Betrages nicht zwei Mal in Anspruch genommen zu werden. Mit dem Hinweis auf eine mögliche Genehmigung habe das Gericht daher "ersichtlich auf eine den Interessen beider Parteien gerecht werdende Lösung" abgezielt.

Der Autor Benedikt Meyer ist Richter auf Probe im Bezirk des OLG Oldenburg und schreibt unter http://www.zpoblog.de über aktuelle zivilprozessuale Themen.

Zitiervorschlag

BGH zum Recht der Richterablehnung: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19819 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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