Geht der Kinderwunsch nicht in Erfüllung, greifen Paare mitunter auf die Samenspende eines Dritten zurück. Für unverheiratete bzw. lesbische Mütter und ihre Kinder birgt das noch immer besondere Risiken, wie Herbert Grziwotz zeigt.
Fast sieben Jahre dauerte die Beziehung ohne Trauschein bereits, als das Paar wegen der Zeugungsunfähigkeit des Mannes beschloss, den gemeinsamen Kinderwunsch im Wege der heterologen Insemination mittels der Samenspende eines Fremden zu erfüllen. Es kam zu drei Versuchen beim Hausarzt der Frau. Der Mann besorgte jedenfalls bei dem ersten Versuch die fremden Spermien hierfür. Bei der ersten Behandlung unterzeichnete er außerdem einen seitens des Hausarztes vorgelegten "Notfall-/Vertretungsschein", auf dem handschriftlich vermerkt war: "Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!"
Nach der Geburt, zu der es aufgrund des dritten Versuchs kam, erkannte der Mann die Vaterschaft zwar nicht an. Er unterschrieb jedoch die amtliche "Geburtsmeldung eines Kindes" für das Standesamt als Vater, ließ sich als Vater gratulieren, Familienfotos mit der neugeborenen Tochter und deren Mutter fertigen und bezahlte Teile der Erstausstattung sowie dreimal monatlichen Unterhalt. Weiteren Unterhalt entrichtete er nicht. Zunächst vergeblich, vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sodann erfolgreich, machte die Tochter für die Zeit ab März 2009 vertraglichen Unterhalt in einer am gesetzlichen Unterhalt orientierten Höhe geltend.
Der Wunschvater muss für sein Kind zahlen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision des Vaters abgewiesen und die obergerichtliche Entscheidung bestätigt (Urt. v. 23.09.2015, Az. XII ZR 99/14). Sie entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor der rudimentären Regelung der heterologen Insemination in § 1600 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser Bestimmung ist die Anfechtung der Vaterschaft durch die Wunscheltern ausgeschlossen, wenn diese der künstlichen Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten zugestimmt haben.
Auch wenn bei nicht verheirateten Paaren ohne Vaterschaftsanerkenntnis keine rechtliche Vaterschaft begründet wird, steht dies der Verpflichtung, wie ein rechtlicher Vater für das Kind Unterhalt zu leisten, nicht entgegen. Die Einwilligung in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende bedarf aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers auch keiner Form. Anders als bei der Adoption und dem Vaterschaftsanerkenntnis geht es nämlich nicht um die Elternschaft für ein existierendes Kind, sondern um die (künstliche) Zeugung des Kindes.
Unterhaltspflicht durch Verantwortungsübernahme
Die Entscheidung des BGH ist nicht überraschend. Bereits vor Geltung der gesetzlichen Regelung der heterologen Insemination hat der Familiensenat in der Einwilligungserklärung zu diesem Vorgang einen berechtigenden Vertrag zugunsten des Kindes gesehen, der die Wunscheltern zur Zahlung von Unterhalt entsprechend dem gesetzlichen Unterhalt verpflichtet.
Dies galt entsprechend für Fälle unwirksamer Adoptionen im Ausland (BGH, Beschl. v. 10.10.1995, Az. XII ZA 2/95). Hintergrund ist die gemeinsame Verantwortung gegenüber dem Kind bei der künstlichen Erfüllung des Kinderwunsches. Es gilt insoweit nichts Anderes als bei der Zeugung eines Kindes.
Risiko für unverheiratete und lesbische Mütter
Risiken bestehen indes weiterhin für die Frauen, die sich ihren Kinderwunsch mittels einer künstlichen Befruchtung und einer Samenspende eines fremden Mannes erfüllen wollen, wenn sie nicht verheiratet sind. Dies betrifft zunächst heterosexuelle Paare, die ohne Trauschein zusammenleben. Bei ihnen wird nämlich die Vaterschaft des Partners der Frau nicht wie bei einem Ehemann gesetzlich vermutet (§ 1592 Nr. 1 BGB). Eine Vaterschaftsanerkennung ist nach überwiegender Rechtsansicht erst nach, nicht bereits vor der Zeugung zulässig. Der zunächst mit der Samenspende eines Dritten einverstandene Mann kann später die (ohnehin falsche, aber zulässige) Anerkennung der Vaterschaft verweigern. Eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung kommt nicht in Betracht, da das Sperma von einem Dritten stammt.
Ähnlich steht es, wenn sich ein lesbisches Paar den Kinderwunsch mittels der Samenspende eines Mannes erfüllen möchte. Die lesbische Mitmutter, die mit der gebärenden Frau in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, muss später ihr Stiefkind nicht adoptieren. Leben die beiden Frauen "ohne Trauschein" zusammen, würde die Adoption ohnehin zum Verlust der leiblichen Mutter führen, denn eine doppelte Mutterschaft ist nicht möglich.
Eine unverheiratete oder eine lesbische Frau, die sich ihren Kinderwunsch mittels einer Samenspende erfüllen möchte, geht daher stets das Risiko ein, später womöglich als alleinerziehender Elternteil die Sorge für das Kind übernehmen zu müssen. Lediglich dem Kind steht ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater bzw. die Mitmutter zu.
Übernahme von Verantwortung unabhängig vom Entstehungsakt
Die Entscheidung des BGH zeigt, dass die Übernahme von Elternverantwortung gegenüber einem Kind nicht von der Art seiner Entstehung abhängen kann. Dem gezielt geplanten, aber auch dem "passierten" und sogar dem abredewidrig empfangenen Kind, bei dem der Vater "reingelegt" wurde, steht in gleicher Weise ein Anspruch auf Schutz und Fürsorge durch seine Eltern zu. Diese befriedigen nämlich, wie es der BGH schon vor vielen Jahren formuliert hat (Urt. v. 17.04.1986, Az. IX ZR 200/85), beim "Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis", sondern haben das Entstehen von Leben zu verantworten.
Verantwortung für ein Kind übernehmen, d.h. Eltern werden, kann man aber nicht nur durch den (Real-)Akt des Geschlechtsverkehrs, sondern auch durch Willensakt. Dies ist neben der Adoption inzwischen auch die Zustimmung zur Kinderwunscherfüllung mittels der künstlichen Fortpflanzungsmedizin. Die unterhaltsrechtlichen Konsequenzen hat der BGH zum Schutz des Kindes gezogen. Kinder brauchen aber nicht nur "Zahleltern". Deshalb sollte der Gesetzgeber das der Lebenswirklichkeit nicht mehr entsprechende deutsche Abstammungsrecht der Kinderwunscherfüllung im Wege der modernen Fortpflanzungsmedizin anpassen. Dies ist zum Schutz der Kinder längst überfällig.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Verfasser zahlreicher familienrechtlicher Abhandlungen, insbesondere auch zu den Problemen der modernen Fortpflanzungsmedizin und dem Abstammungsrecht.
Herbert Grziwotz, BGH zum Unterhalt nach künstlicher Befruchtung: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16997 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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