Nach einem Urteil des BGH reicht es für die Verkehrsdurchsetzung, wenn mindestens jeder Zweite die Assoziation zwischen einem bestimmten Farbton und einer Marke herstellt. Ob das beim Nivea-Blau der Fall ist, ist noch offen. Von Valeska Töbelmann.
Dieser Tage ist die Markenwelt wieder einmal besonders bunt. Nachdem das Bundespatentgericht (BPatG) Ende Juni die rote Farbmarke der Sparkassen als nicht schutzfähig zurückwies, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich am Donnerstag mit dem Blauton von Nivea zu beschäftigen. Mit seinem Beschluss hat er eine frühere Entscheidung des BPatG, wonach die von Beiersdorf geschützte Farbmarke "Blau" zu löschen sei, aufgehoben.
Pantone 280 C – so die Benennung nach einem international anerkannten Farbklassifizierungssystem – sagt wohl nicht jedem auf Anhieb etwas. Anders verhält sich dies vielleicht bei "NIVEA-Blau". Beiersdorf verwendet bereits seit etwa einhundert Jahren den dunklen Blauton für die Verpackung der Nivea-Produkte. Dabei ist die Produkt-Verpackung entweder vollständig blau eingefärbt, oder der blaue Farbton ziert den Deckel und weitere Aufmachungselemente der Verpackung. Das DPMA hatte die Farbe Ende 2007 als "verkehrsdurchgesetzte" abstrakte Farbmarke für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, nämlich Haut- und Körperpflegeprodukte" in das deutsche Markenregister eingetragen.
BPatG: 58 Prozent sind nicht genug
Bereits Anfang 2008 wurde ihre Schutzfähigkeit allerdings wieder in Frage gestellt: Unilever stellte beim DPMA einen Löschungsantrag aufgrund absoluter Schutzhindernisse – und setzte sich bis hin zum BPatG zunächst durch. Die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung hätten im Anmeldezeitpunkt nicht vorgelegen, waren sich Antragstellerin und BPatG einig.
Laut einer von Beiersdorf im Anmeldeverfahren vor dem DPMA vorgelegten Verkehrsumfrage haben im Jahr 2006 zwar gut 58 Prozent der Befragten die Farbe Pantone 280 C der Markeninhaberin zugeordnet. Nicht genug, entschied das BPatG und verlangte einen Zuordnungsgrad von mindestens 75 Prozent. Begründet hat das Gericht die hohe Messlatte unter anderem damit, dass -Blau im Bereich der Haut- und Körperpflegeprodukte als Hinweis auf Nachtcremes oder Pflegeprodukte für Männer angesehen werde und somit als "beschreibende Angabe" etabliert sei.
Der BGH hat die Entscheidung nunmehr aufgehoben, und an das BPatG zur Neuverhandlung zurück verwiesen. Dabei hat er dem BPatG unter anderem aufgegeben, ein neues Meinungsforschungsgutachten zum Grad der Zuordnung des Nivea-Blau einzuholen, da die vorgelegte Verkehrsbefragung nicht verlässlich sei (Beschl. v. 09.07.2015, Az. I ZB 65/13).
Das Farbmarkenrecht ist eher schwarz/weiß
Bislang geht die höchstrichterliche Rechtsprechung sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene davon aus, dass Farben von den angesprochenen Verkehrskreisen häufig gerade nicht als Marke, sondern nur als dekoratives Element wahrgenommen werden. Über die Frage, ob diese eher schwarz/weiße markenrechtliche Beurteilung gerechtfertigt ist, kann durchaus diskutiert werden. Die Nivea-Blau Entscheidung des BGH rührt hieran allerdings nicht.
Ohne Vorliegen besonderer Umstände können Farbmarken daher in vielen Fällen nur dann Markenschutz erlangen, wenn die Markeninhaber belegen können, dass ihre Farben "Verkehrsdurchsetzung" erlangt haben. Mit anderen Worten muss erst "ein erheblicher Teil" der angesprochenen Konsumenten die Farbe als Hinweis auf Produkte oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens ansehen, bevor sie als Marke geschützt werden kann. Als "erheblichen Teil" sieht der BGH in der Regel mindestens 50 Prozent an.
Anders sah dies das BPatG, übrigens nicht nur beim Nivea Blau, sondern auch beim Sparkassen-Rot, wo es forderte, dass mindestens 70 Prozent der angesprochenen Verkehrskreise die Farbe als Marke erkennen müssten. Bei Nivea legt es noch einmal 5 Prozent drauf – was de facto bedeutet, dass drei von vier Deutschen die Assoziation herstellen müssten, da die "angesprochenen Verkehrskreise" im Falle von Körper- und Hygieneprodukten die gesamte Bevölkerung sind.
BGH: 51 Prozent sind genug…
Dem hat der für Markensachen zuständige I. Zivilsenat des BGH nunmehr deutlich widersprochen. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, bei Farbmarken derart strenge Maßstäbe anzulegen. Die Anforderungen an eine Verkehrsdurchsetzung seien vielmehr für alle Markenformen gleich.
Soweit ersichtlich, hat der BGH in seinem Beschluss auch nicht danach unterschieden, ob die Farbe für die beanspruchten Waren "glatt beschreibend" ist oder nicht. Denn eine solche Unterscheidung stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Damit herrscht für Markenanmelder in Deutschland erst einmal Klarheit: Die 50 Prozent-Schwelle des BGH ist auch auf Farbmarken anwendbar – und zwar uneingeschränkt. Abweichungen zu Ungunsten der Anmelder sind unzulässig.
... so lang sie korrekt ermittelt werden
Der BGH gibt den Markenanmeldern auch einige Hinweise an die Hand, wie Verkehrsbefragungen als Mittel zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung umgesetzt werden sollten: Die Befragung darf sich ausschließlich auf die zu schützende Farbe oder Farbkombination beziehen. Soll eine einzelne Farbe als Marke geschützt werden, darf die verwendete Farbkarte folglich ausschließlich diese Farbe enthalten. Zusätze gleich welcher Art können das Befragungsergebnis verfälschen.
Enthält das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis der Farbmarke Oberbegriffe, die eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte abdecken, muss nach Ansicht des BGH bei der Befragung zudem zwingend nach den einzelnen Produktgruppen unterschieden werden. Denn eine Eintragung kommt nur für die Waren in Frage, für die auch die Verkehrsdurchsetzung konkret nachgewiesen wurde.
Das BPatG hat in der Sparkassen-Rot-Entscheidung allerdings grundsätzliche Bedenken gegen die Durchführung von Verkehrsbefragungen durch die Parteien eines Eintragungs- oder Löschungsverfahrens angebracht. Ob damit Verkehrsbefragungen zukünftig den Parteien aus den Händen genommen werden könnten, bleibt abzuwarten. In vielen Ländern ist die Einholung von Sachverständigengutachten in Amtsverfahren bereits üblich.
Offiziell ist das letzte Wort in Sachen Nivea-Blau zwar noch nicht gesprochen. Der BGH hat die Richtung aber deutlich vorgegeben: Sofern die neue Verkehrsbefragung ergibt, dass mehr als 50 Prozent das NIVEA-Blau als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen werten, kann die Marke nicht gelöscht werden.
Valeska Töbelmann , LL.M. ist Counsel bei CMS Hasche Sigle und dort insbesondere im Bereich des Marken- und Geschmacksmusterrechts tätig.
BGH zu Streit um Farbmarken: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16180 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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