BFH entscheidet zugunsten gemeinnütziger Organisationen: Politik ja, Par­tei­po­litik nein

von Manfred Lehmann

18.08.2017

2/2: Grenze zwischen zivilem Engagement und Politik verschwimmt

Die Verfolgung parteipolitischer Zwecke ist gemeinnützigen Organisationen verboten. Dies ergibt sich insbesondere aus der gesonderten steuerlichen Behandlung von politischen Parteien. Deshalb untersagt § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 Abgabenordnung (AO) auch ausdrücklich die (un-)mittelbare Weiterleitung von Mitteln an politische Parteien. Die Frage aber, wann gemeinnützige Organisationen im Rahmen der Verwirklichung ihrer originären Satzungszwecke durch bestimmte Aktionen oder Stellungnahmen möglicherweise ähnlich wie politische Parteien tätig werden, ist durch den Gesetzgeber nicht geregelt.

Die Grenzziehung ist in der Praxis nicht immer eindeutig und trennscharf möglich. Auch Umweltschutzorganisationen stehen z.B. regelmäßig vor der Frage, ob die gewählten Mittel (Veranstaltungen, Seminare, Demonstrationen, etc.) zur Information der Gesellschaft über bestimmte Themen und Entwicklungen bereits eine unzulässige politische Betätigung darstellen.

Aus den bisher vorliegenden Entscheidungen des BFH geht hervor, dass auch gemeinnützigen Organisationen politische Äußerungen und Aktionen gestattet sind, wenn sie den gemeinnützigen Zweck fördern und nicht in der überwiegenden Unterstützung parteipolitischer Programme münden. Im Ergebnis steht die Rechtsprechung einer politischen Tätigkeit im Rahmen gemeinnützigen Handelns nicht im Wege, sondern hält sie für eine ausgewogene politische Diskussion sogar für notwendig, solange sie nicht zum Selbstzweck wird.

Einer Gesetzesänderung bedarf es nicht

Angesichts der aktuellen Diskussion stellt sich die Frage, ob Änderungen der §§ 51, 58 AO notwendig sind. Insbesondere käme eine Erweiterung der Generalklausel des § 51 Abs. 1 Satz 1 AO um den Begriff "demokratisch" nebst Klarstellung im § 58 AO in Betracht, dass die Beteiligung an der politischen Willensbildung steuerlich unschädlich ist.

Nach der bisherigen Rechtsprechung, die politische Äußerungen und Tätigkeiten einer gemeinnützigen Körperschaft im größeren Zusammenhang der jeweiligen, gemeinnützigen Zweckverfolgung erlaubt, brächten die angedachten Änderungen der §§ 51, 58 AO aber keine materielle Verbesserung.

Es bedarf daher nicht zwingend einer Gesetzesreform, sondern eines stärkeren Bewusstseins bei den verantwortlich Handelnden auf Seiten der Finanzverwaltung , dass die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen nicht schädlich ist, wenn sie den gemeinnützigen Zwecken dient. Die Betätigung gemeinnütziger Organisationen als Themenanwälte muss auch die politische Ebene tangieren können, ansonsten droht das Engagement innerhalb der Zivilgesellschaft faktisch leerzulaufen.

Der Autor Dipl.-Volkswirt Manfred Lehmann ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und als Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Schomerus" an den Standorten Berlin und Hamburg tätig.

Zitiervorschlag

BFH entscheidet zugunsten gemeinnütziger Organisationen: . In: Legal Tribune Online, 18.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24015 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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