BAG zur Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags: Die späte Reue eines Betriebs­rats­vor­sit­zenden

Kann ein Aufhebungsvertrag für einen Arbeitnehmer zu gute Konditionen haben? Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender glaubte das, scheiterte aber nun in Erfurt. Warum er nicht in seinen alten Job zurückkehren wird, erklärt Michael Fuhlrott.

Ein Aufhebungsvertrag mit mehr als zweijähriger bezahlter Freistellung und einer sechsstelligen Abfindung plus Wohnmobil? Kein allzu schlechtes Angebot, dachte sich ein Betriebsratsvorsitzender und unterschrieb. Als ihn ein Jahr später Vertragsreue ereilte, berief er sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Die hohe Abfindung habe er nur erhalten, da er Betriebsrat gewesen sei, der Vertrag sei damit nichtig. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) konnte er mit dieser Argumentation am Mittwoch aber nicht überzeugen (Urt. v. 21.03.2018, Az. 7 AZR 590/16). Doch eins nach dem anderen.

Betriebsräte sind gem. dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowohl den Interessen der Arbeitnehmer als auch denen des Betriebs verpflichtet. Faktisch vertreten sie aber oft denen des Arbeitgebers sehr gegensätzliche Interessen. Daher sind sie bei ihrer Amtsführung zurecht gesetzlich geschützt:

Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und bedarf der Zustimmung des Gremiums (§ 103 BetrVG). Betriebsräte dürfen Schulungen besuchen und haben Anspruch auf bezahlte Freistellung für Betriebsratstätigkeiten (§ 37 BetrVG). Die Behinderung der Betriebsratsarbeit kann eine Straftat darstellen (§ 119 BetrVG). Zudem ist es dem Arbeitgeber sowohl verboten, Betriebsräte gem. § 78 S. 2 BetrVG wegen ihrer Tätigkeit zu benachteiligen als auch zu begünstigen.

Kurzum: Durch das Amt sollen Betriebsräte weder schlechter noch besser gegenüber "normalen" Arbeitnehmern gestellt werden.

"Goldener Handschlag" für einen bereits regional bekannten Arbeitnehmer

Diesen Gedanken machte sich nun auch ein Betriebsrat vor dem BAG zu eigen, der jahrelang freigestellter Vorsitzender des Betriebsrats eines Betriebs mit 1.500 Arbeitnehmer war und den schon die Presse als "unbequemen" Betriebsrat bezeichnete. Zuletzt erhob die für das Gremium tätige Betriebssekretärin massive Beschwerden gegen den Mann wegen sexueller Belästigung und erstatte Strafanzeige wegen Nachstellung. Der Betriebsratsvorsitzende bestritt die Vorwürfe vehement. Gleichwohl erteilte ihm der Arbeitgeber ein Hausverbot.

Diesem schlossen sich in der Folge diverse Verfahren und einstweilige Verfügungen wegen Zutrittsgewährung zum Betrieb, Verbot des Abhaltens von Betriebsversammlungen sowie Ausschluss aus dem Betriebsrat und die Beantragung der gerichtlichen Zustimmungsersetzung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden an. Im darauffolgenden Verfahren legte der Arbeitgeber unzählige SMS-Nachrichten und andere Nachweise für Kontaktversuche des Betriebsratsvorsitzenden an die Sekretärin sowie eine eidesstattliche Versicherung von dieser über die von ihr als belästigend empfundenen Annäherungsversuche vor.

Bevor allerdings eine abschließende gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts erfolgen konnte, einigten sich Arbeitgeber und Betriebsratsvorsitzender im Juli 2013 außergerichtlich auf eine einverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses qua Aufhebungsvertrag. Hiernach sollte das Arbeitsverhältnis gut zwei Jahre später, also mit Wirkung zum 31. Dezember 2015 enden. Bis dahin sollte der Arbeitnehmer mit seinem Bruttogehalt von knapp 5.000 Euro bezahlt freigestellt bleiben und eine Abfindung von insgesamt 120.000 Euro brutto in zwei Tranchen erhalten. Mit sofortiger Wirkung sollte er zudem alle seine Betriebsratsämter niederlegen. Nach der Unterzeichnung wurde der Aufhebungsvertrag zunächst auch entsprechend abgewickelt und die erste Tranche der Abfindung nach der Amtsniederlegung des vormaligen Betriebsratsvorsitzenden ausgezahlt.

Vertragsreue rund ein Jahr später

Rund ein Jahr nach Abschluss des Aufhebungsvertrages reute den Arbeitnehmer offenbar die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags, weshalb er diesen vor Gericht zu beseitigen versuchte. Der Mann argumentierte hierbei, dass der Aufhebungsvertrag in der vorliegenden Ausgestaltung mit der "exorbitanten" Abfindung, die ein Vielfaches über der "Regelabfindung" läge, und dem langen Zeitraum der Freistellung ganz erheblich über dem läge, was einem "normalen" Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers jemals angeboten worden wäre. Zudem sei ihm noch "außerhalb" des Aufhebungsvertrags die Beschaffung und Übereignung eines Wohnmobils (Reisemobil der Marke Knaus, Typ Sky Wave) zugesagt worden, dem ein weiterer Wert von rund 50.000 Euro zukomme.

Nur aufgrund seiner besonderen Stellung als damaligem Betriebsratsvorsitzendem und der damit begründeten Rechtsposition habe er derartig wesentliche Vergünstigungen erfahren und die überhöhten Konditionen durchsetzen können. Die Abfindung in dieser Höhe sei nur gezahlt worden, weil er ein Mitglied des Betriebsrats gewesen sei. Dieses Vorgehen stelle somit eine unzulässige Begünstigung gem. § 78 S. 2 BetrVG dar. Folge sei, dass der Aufhebungsvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstoße und daher gem. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig sei. Mangels wirksam vereinbarter Aufhebung bestehe sein Arbeitsverhältnis also fort.

Arbeitgeber und Vorinstanzen: Zulässige Vertragsgestaltung

Das von ihm beklagte Unternehmen sah dies anders: Die Konditionen seien zwar in der Tat hoch, jedoch der besonderen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers und damit dem erheblichen Kostenrisiko geschuldet, das die Durchführung eines Prozesses mit sich gebracht hätte. So hätte zunächst die Zustimmungsersetzung zur beabsichtigten Kündigung gerichtlich beantragt werden müssen, was mehrere Monate gedauert und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens erfordert hätte.

Anschließend hätte eine Kündigung ausgesprochen werden müssen, wogegen sich der Arbeitnehmer hätte zur Wehr setzen können. Aufgrund der den Arbeitgeber treffenden Beweislast sei unklar gewesen, ob es gelungen wäre, eine außerordentlich fristlose Kündigung zu begründen, was dem Unternehmen zu risikoreich gewesen war. Die Prozesse hätten Monate bis Jahre dauern können und ein erhebliches Risiko des Annahmeverzugs geborgen. Auch sei weitere negative Berichterstattung zu befürchten gewesen.

Zuletzt sei der Arbeitnehmer durch seine aktive Betriebsratstätigkeit in der Region so bekannt geworden, dass dieser Schwierigkeiten haben dürfte, eine neue Beschäftigung zu vergleichbaren Konditionen zu finden. Insoweit sei die erhebliche Abfindung einerseits den Prozessrisiken und Folgen des Sonderkündigungsschutzes, andererseits aber auch der Milderung der Nachteile bei einer beruflichen Neuorientierung aufgrund der jahrelangen Betriebsratsarbeit geschuldet.

Mit dieser Argumentation überzeugte der Arbeitgeber sowohl das erstinstanzlich erkennende Arbeitsgericht Saarbrücken (Urt. v. 13.3.2015, Az.: 3 Ca 845/14) als auch das zweitinstanzlich zur Entscheidung über die Berufung urteilende Landesarbeitsgericht Saarland (Urt. v. 22.06.2016, Az.: 1 Sa 63/15). Beide Instanzen qualifizierten den Aufhebungsvertrag als wirksam.

BAG: Günstigere Verhandlungsposition allein Ausfluss des Sonderkündigungsschutzes

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah dies in seinem Urteil vom Mittwoch nicht anders und schloss sich den Vorinstanzen an. Zwar verbiete das Gesetz die Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern ebenso wie dessen Bevorzugung. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend aber nicht, da in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags regelmäßig keine unzulässige Begünstigung zu erblicken sei. Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger sei als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, beruhe dies allein auf dem in § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz. Diesen könne sich der Arbeitnehmer quasi "abkaufen" lassen, ohne dass hierin eine unzulässige Begünstigung "wegen des Betriebsratsamts" liege.

Dem Arbeitgeber bleibt so auch ein Prozess um die Rückforderung der Abfindungszahlung erspart. Damit hatte das beklagte Unternehmen bereits vor Gericht für den Fall des Unterliegens gedroht, wenngleich es seine Chancen auf tatsächliche Rückzahlung des Geldes als eher gering eingeschätzt hatte: Zwar dürfte bei einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrag ein Rückforderungsanspruch aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt Bürgerliches Gesetzbuch dem Grunde nach bestehen.

Allerdings ging man davon aus, dass die gezahlte Abfindung wohl bereits nahezu verbraucht worden ist. Zum einen durch hohe Anwaltskosten, zum anderen durch die Ausrichtung einer "klassischen Hochzeit" mit rund 1.000 Gästen für den Sohn des Klägers. Zu wünschen bleibt, dass wenigstens diese dann anders als der kurzfristige Geldsegen "ein Leben lang" Bestand haben wird und nicht von späterer "Vertragsreue" ereilt werden wird.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht, Studiendekan Wirtschaftsrecht und Human Resources Management an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg.

Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, BAG zur Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27651 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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