Arbeitgeber dürften nach einer aktuellen Entscheidung des BAG aufatmen: Auch in der passiven Freistellungsphase entstehen nämlich keine Urlaubsansprüche, erläutern Michael Fuhlrott und Florian Garden.
Ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Erwerbsleben mag für viele Arbeitnehmer ein wünschenswerter Gedanke sein. Allerdings scheitert die Realisierung oftmals an dem Umstand, dass die Zeit bis zum Renteneintritt finanziell überbrückt werden muss. Staatliche Förderungen, die derartige Modelle bezuschussen, gibt es indes seit dem Jahr 2010 nicht mehr.
Gleichwohl greifen insbesondere Arbeitgeber, die sich mit der Notwendigkeit von Personalabbaumaßnahmen konfrontiert sehen, weiterhin gerne auf Altersteilzeitmodelle zurück. Sie ermöglichen sozial verträgliche und in der Belegschaft durchaus gern in Anspruch genommene Anpassungen des Personalbestands.
Klassischerweise werden diese als Blockmodell geführt, wonach der vormals in Vollzeit arbeitende Arbeitnehmer für einen Zeitraum weiter in Vollzeit arbeitet ("Arbeitsphase") und anschließend bei rechtlich fortbestehendem Arbeitsverhältnis von der Arbeitsleistung gänzlich freigestellt ist ("Freistellungsphase"). Die Vergütung für den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit wird verstetigt als Durchschnitt gezahlt, so dass der Arbeitnehmer durchgehend vergütet wird. Der gleitende Eintritt in die Rente wird so für den Arbeitnehmer finanzierbar und ermöglicht.
Altersteilzeit ohne Urlaub für "Head of Quality Escalator"?
Von dieser Möglichkeit hatte auch der nunmehr seinen Arbeitgeber verklagende Arbeitnehmer des aktuell vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelten Falles (Urt. v. 24.9.2019, 9 AZR 481/18) Gebrauch gemacht. Dieser war bei seinem Arbeitgeber vormals mit der wohlklingenden Bezeichnung als "Head of Quality Escalator" im Umfang von 40 Stunden tätig.
Mit seinem Arbeitgeber vereinbarte er ab dem 1. Dezember 2014 den Eintritt in ein Altersteilzeitverhältnis, das bis zum 31. Juli 2017 andauern sollte. Bis einschließlich März 2016 sollte der Arbeitnehmer weiter in Vollzeit arbeiten, von April 2016 sodann bis zur Beendigung freigestellt sein. Für den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit war die Zahlung eines jeweiligen Bruttomonatsgehalts von 7.035,60 Euro vorgesehen.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Altersteilzeitvertrag sah zudem vor, dass der ab Eintritt in die Freistellungsphase entstehende Urlaubsanspruch durch die erfolgte Freistellung als gewährt gelten sollte. Diese Regelung wollte der Kläger aber im Nachhinein nicht gegen sich gelten lassen und hielt sie für unwirksam. Er war der Meinung, dass auch in den Jahren seiner Freistellung, also 2016 und 2017, Urlaubsansprüche entstehen. Da eine Gewährung dieses Urlaubs nach Beendigung nicht mehr möglich sein, müsse seine Arbeitgeberin nunmehr insoweit als Schadensersatz die Urlaubsansprüche abgelten. Diesen Betrag errechnete der Arbeitnehmer auf der Basis von 52 Urlaubstagen für 2016 und 2017 mit rund 17.000 Euro brutto.
Kein Erfolg in den Instanzen
Mit seiner Zahlungsklage blieb der Arbeitnehmer aber sowohl erst-, als auch zweitinstanzlich erfolglos. Das erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Arbeitsgericht (ArbG) Essen wies die Klage mit Urteil vom 08.03.2018 (Az. 1 Ca 2868/17) ab. Auch die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers wurde durch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Urt. v. 13.07.2018, 6 Sa 272/18) abgewiesen.
Der Arbeitgeber sei nicht gehalten, dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr ohne Antrag Urlaub zu gewähren, so argumentierten die Richter. Außerdem entstünden während der Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell keine Urlaubsansprüche, so die Düsseldorfer Arbeitsrichter weiter. Ohne Antrag des Arbeitnehmers könne bereits kein Urlaub gewährt werden.
Auch sei die Freistellungsphase als "Teilzeit mit einer Arbeitsleistung von 0" zu bewerten, da keinerlei Arbeit mehr zu erbringen sei. Folglich entstünden erst gar keine Urlaubsansprüche. Selbst wenn man deren Entstehen annähme, so wären die Ansprüche überdies mit der Freistellungsphase abgegolten. Gleich also, wie man es drehe und wende, stehe dem Kläger jedenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Urlaubs(abgeltungs)anspruch zu.
Anzahl der Urlaubstage nach Arbeitszeitrhythmus
Der Kläger blieb dennoch hartnäckig und bat das BAG mit seiner Revision um rechtliche Prüfung dieser Argumentation. Insbesondere berief er sich hierbei auf den formalen Bestand des Arbeitsverhältnisses. Dies reiche nach den unionsrechtlichen Vorgaben und der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG aus.
Das BAG hat jedoch die Revision des Klägers zurückgewiesen und entschieden, dass dem Kläger keine Ansprüche auf Urlaubsabgeltung zustehen. Es begründet dies laut seiner Pressemitteilung) damit, dass sich die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich nach dem maßgeblichen Arbeitszeitrhythmus richte. Auf diese Weise solle eine für alle Arbeitnehmer gleichwertige Urlaubsdauer gewährleistet werden.
Da die Freistellungsphase mit "Null" Arbeitstagen in Ansatz zu bringen sei, stehe einem Arbeitnehmer für den Zeitraum der Freistellungsphase kein Urlaubsanspruch zu. Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit seien, so das BAG, weder nach nationalen Bestimmungen noch nach Maßgabe des Unionsrechts Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.
Vollziehe sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungphase im Verlauf des Kalenderjahres, müsse der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden. Diese Grundsätze gelten überdies nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den vertraglich vereinbarten Mehrurlaub, sofern die Parteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Dieses Urteil des BAG ist wenig überraschend und steht im Einklang mit den erst kürzlich ergangenen Entscheidungen des BAG zu der Frage, ob Urlaubsansprüche während eines mit dem Arbeitgeber frei vereinbarten Sonderurlaubs (Sabbaticals) entstehen (BAG, Urt. v. 19.03.2019, 9 AZR 315/17 und BAG Urt. v. 19.03.2019, 9 AZR 406/17). Auch hier hatte das BAG entschieden, dass keine Urlaubsansprüche während des Sabbaticals entstehen, weil der Arbeitnehmer in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbringt, und somit aufgrund einer regelmäßigen Arbeitszeit von null Tagen kein Urlaubsanspruch entsteht.
Die Entscheidung dürfte Arbeitgeber weiter aufatmen lassen, denn das BAG schafft mit dieser Entscheidung weitere Sicherheit. Arbeitgeber müssen nun nicht mehr befürchten, dass ihre sich in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer nachträglich Urlaubsabgeltungsansprüche für die Zeiten der Freistellungsphase geltend machen. Zudem festigt das BAG mit dieser Entscheidung seine jüngst entwickelte Rechtsprechung, dass es zur Berechnung der Urlaubstage maßgeblich auf die Anzahl der regelmäßigen Wochenarbeitstage ankommt.
Urlaubsrecht bleibt bewegtes Fahrwasser
Auch nach der aktuellen Entscheidung bleibt das Urlaubsrecht aber ein weiterhin bewegtes Fahrwasser und sorgt für Beschäftigung bei Arbeitgebern und Personalabteilungen. Dies liegt nicht nur an einer Vielzahl von nationalen Entscheidungen, sondern insbesondere auch an der Auslegung der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG durch den EuGH, der zuletzt mit seinem Stechuhr-Urteil zur Arbeitszeiterfassung vom 14.5.2019 (Az. C-55/18) eindrucksvoll bewies, welche Verpflichtungen sich aus der Richtlinie für Arbeitgeber ergeben können.
Ein weiteres Beispiel ist die ebenfalls auf Vorgaben des EuGH (Urt. v. 6.11.2018, Az. C-684/16) zurückgehende Entscheidung des BAG aus Februar dieses Jahres (BAG, Urt. v. 19.2.2019, Az. 9 AZR 541/15), wonach Urlaubsansprüche nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer transparent und in aller Deutlichkeit über seinen bestehenden Urlaub, das Erfordernis dessen Beantragung sowie die Verfallfolgen hingewiesen hat. Urlaubszeit – eine der schönsten Zeiten im Jahr, die man sich aber sowohl arbeitnehmer-, als auch arbeitgeberseitig zunächst einmal redlich verdienen muss…
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB - sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Der Autor Florian Garden ist Rechtsanwalt im Dezernat Arbeitsrecht bei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.
BAG zu Altersteilzeit im Blockmodell: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37815 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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