Immer mehr Wohnungseinbruchdiebstähle: Im verzweifelten Kampf gegen die Einbrecherbanden

von Henning Hofmann und Ass. jur. Florian Albrecht, M. A.

27.04.2015

2/2: Predictive Policing - mit „Big Data“ gegen Wohnungseinbrüche?

Eine weitere und womöglich vielsprechende Option könnte das „Predictive Policing“ sein. Bei dieser vorhersagenden Polizeiarbeit verknüpft eine statistisch arbeitende Software Falldaten mit geographischen Informationen, um hieraus Prognosen für zukünftige Straftaten zu erstellen. Die Software macht sich dabei die verbrechenssoziologische Theorie der „Near-Repeats“ zunutze. Sie geht also von der Annahme aus, dass Straftäter zumeist mehrmals an nahe beieinander gelegenen Tatorten aktiv sind. Es obliegt der Polizei, dort ihre Präsenz zu verstärken, um weitere Wohnungseinbrüche zu vermeiden.

In Bayern testen Polizeibeamte in München und Nürnberg derzeit die Software „Precobs". Erste Zahlen aus einem Pilotprojekt in der Schweiz sind vielsprechend. Die Anzahl der Wohnungseinbrüche in Basel, wo die Software schon seit längerem getestet wurde, war um 20 Prozent rückläufig. Ob dies allein auf Predictive Policing zurückzuführen ist, ist unter Experten umstritten.

Dennoch erhoffen sich viele Polizeibehörden, durch mittels Geographie-Daten präzisierte Wahrscheinlichkeitsprognosen die Polizeiarbeit ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Weitere Bundesländern, u.a. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin planen, Bayern zu folgen und entsprechende Softwareanwendungen zu implementieren. Ohne dass zusätzliches Personal nötig würde, besteht somit die Chance, Polizeibeamte dort zum Einsatz zu bringen, wo sie benötigt werden.

Predictive Policing ist (noch) datenschutzkonform

In der derzeitigen technischen Ausgestaltung der Vorhersage-Systeme liegen zunächst auch keine rechtlichen Probleme. Predictive Policing ist allein die Weiterentwicklung einer Praxis, die seit rund 20 Jahren bei fast allen Polizeibehörden Einzug gehalten hat. Die Auswertung von Daten, die bisher analog erfolgte, wird nun durch Computersoftware unterstützt und erfolgreich präzisiert.

Auch der bayerische Landesdatenschutzbeauftrage Dr. Thomas Petri kam zu dem Ergebnis, dass Precobs datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden sei, weil keine personenbezogenen Daten verarbeitet würden. Allerdings lassen sich die Computermodelle problemlos ausweiten. So fordert der Leiter des Landeskriminalamtes von NRW, Dieter Schürmann, eine zusätzlich Einspeisung von externen Quellen (Wetter, Energieverbrauch, Internet-Nutzung). Rainer Wendt, Vorsitzinder der Deutschen Polizeigewerkschaft, plädierte für die Einbeziehung öffentlicher Datenbanken. Es dürfe „keine Prognoselücken geben.“

Die Konsequenzen eines immer weitreichenderen Datenhungers der Polizeibehörden sind bereits in anderen Ländern ersichtlich. In London werden Falldaten von 3000 Gang-Mitgliedern zusätzlich mit Social-Media Daten verknüpft, um die Prognose für Straftaten zu erstellen. In Chicago klopften Polizeibeamte an die Tür eines 22-Jährigen. Der Grund: Er war aufgrund von Drogenbesitz aktenkundig und ein Freund von ihm war unlängst erschossen worden. Folglich wurde er auf die sog. "Heat-List" gesetzt. Die Software der Chicagoer Polizei ermittelte eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffenen jemanden töten würde oder selbst getötet werden würde.

Chancen nutzen

Gegen eine sinnvolle Allokation von Polizeiressourcen ist natürlich nur wenig einzuwenden. Dennoch darf dies nicht zu einem extensiven Data-Mining durch die Polizei oder gar zu einer umfassenden Protokollierung des Verhaltens im öffentlichen Raum führen.

Die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls hat nur dann Chancen, wenn das Kriminalitätsphänomen und die unterschiedlichen polizeilichen Reaktionen wissenschaftlich begleitet, analysiert und weiterentwickelt werden.

Medienwirksame Aktionstage, Forderungen nach Strafverschärfungen und Verweise auf die Eigenverantwortung des Bürgers sind kontraproduktiv. Kriminalität lässt sich nicht mit populistischen Forderungen und bestenfalls gut gemeinten Ratschlägen beseitigen. Es bedarf vielmehr solider Polizeiarbeit.

Der Autor Florian Albrecht M.A. ist Akademischer Rat a. Z. und Geschäftsführer der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik an der Universität Passau. Er ist zudem Strafverteidiger und Kriminologe. Der Autor Henning Hofmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Dirk Heckmann) an der Universität Passau. Er ist zudem wissenschaftlicher Koordinator des DFG-Graduiertenkolleg "Privatheit".

Zitiervorschlag

Florian Albrecht, Immer mehr Wohnungseinbruchdiebstähle: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15363 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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