Nach dem Euro und den Flüchtlingen will die AfD nun den Islam bekämpfen und damit weitere Wahlerfolge erringen. Sie bekennt sich zur Glaubensfreiheit - aber nicht für alle Religionen. Joachim Wieland über einen klaren Verfassungsverstoß.
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat nicht mehr nur Wahlerfolge vorzuweisen, sondern drei Jahre nach ihrer Gründung jetzt auch ein Parteiprogramm. Nach Auskunft ihres Co-Vorsitzenden Meuthen strebt sie eine "konservative Reformation" an. Dazu gehört vor allem die Ausgrenzung des Islam, der nach dem neuen Programm nicht zu Deutschland gehört.
Gleichzeitig bekennt die Partei sich "uneingeschränkt" zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Das klingt ähnlich wie Art. 4 Abs. 3 Grundgesetz (GG), der die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses als unverletzliches Grundrecht gewährleistet.
Während das Grundgesetz aber auch die ungestörte Religionsausübung garantiert, ist davon bei der AfD nicht die Rede. Muslime sollen zwar nicht ausgewiesen werden, ihre Religion aber nur noch im stillen Kämmerlein ausüben dürfen. "Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf." Beide stehen laut Programm der Partei im Widerspruch zu einem toleranten Nebeneinander der Religionen, wie es die christlichen Kirchen praktizieren. Gemeinhin wird Toleranz etwas anders verstanden.
Glaubensfreiheit à la AfD
Nach dem Parteiprogramm der AfD bleibt von der Glaubensfreiheit für den Islam und seine Angehörigen nicht viel übrig. Das Grundrecht wird für sie praktisch außer Kraft gesetzt. Die AfD erklärt einen "orthodoxen Islam", der einen Herrschaftsanspruch als allein gültige Religion erhebe, kurzerhand für unvereinbar mit unserer Rechtsordnung und Kultur.
Letztlich beansprucht die politische Partei damit die Definitionshoheit darüber, welche Ausprägung des Islams den Schutz der Glaubensfreiheit genießen darf. Das Grundgesetz ist aber nicht etwa laizistisch, wie die AfD behauptet, sondern geht von einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften aus und behandelt alle Religionsgemeinschaften gleich.
Welchen Inhalt ihr Glaube hat, können nur die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft selbst entscheiden. Selbstverständlich darf und muss der Staat sich wehren, wenn eine Religionsgemeinschaft die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bekämpft. Er darf aber nicht eine Glaubensgemeinschaft, die nach der Auffassung einiger Politiker nicht zu Deutschland passt, vom Schutz der Glaubensfreiheit ausnehmen.
Minarette und der Ruf des Muezzins
Für den Bau von Minaretten und die Rufe des Muezzins gilt in Deutschland kein anderes und kein strengeres Recht als für den Bau von Kirchtürmen und für das Glockengeläut. Denn die Glaubensfreiheit ist für alle Religiongsgemeinschaften dieselbe.
Das Baurecht und das Immissionsschutzrecht müssen beachtet werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist der Staat nicht berechtigt, eine Religion, die nach einer politischen Einschätzung nicht zu Deutschland passt, anders zu behandeln als christliche Kirchen. Er muss auch islamischen Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkennen, wenn ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten (Art. 140 GG iVm Art. 137 V 2 Weimarer Reichsverfassung). Diese Vorgaben der Verfassung muss auch die AfD beachten.
Schächten
Die AfD lehnt das Schächten von Tieren ab, wie es nicht nur Muslime, sondern auch Juden als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung praktizieren.
Diese Forderung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach gehört das Schächten zur Glaubensfreiheit, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, dass nach der gemeinsamen Glaubensüberzeugung der Verzehr des Fleisches von Tieren zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt.
Die AfD setzt sich nicht nur in Widerspruch zu sich selbst, wenn sie sich einerseits zur Glaubensfreiheit bekennt und andererseits Muslimen, aber auch Juden eine aus deren Sicht wesentliche Betätigung ihres Glaubens verbieten will. Solange die Partei nicht über die für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat verfügt, muss sie als politische Kraft das Grundgesetz beachten – auch die Glaubensfreiheit.
Prof. Dr. Joachim Wieland lehrt Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Joachim Wieland, AfD-Programm und Verfassung: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19306 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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