NPD-Anwalt scheitert mit Diskriminierungsklage vor BGH: Rechts­fort­bil­dung im Namen der Rechten

von Pia Lorenz

15.12.2016

2/2: Schlechterstellung durch Flucht ins Privatrecht?

Die Argumentation des Senats, dass das Stipendium bereits an einen anderen Bewerber vergeben worden sei und er das Studium längst ohne die Unterstützung absolviert habe, ist aus Richters Sicht eine zu zivilrechtliche Herangehensweise an den Sachverhalt: "Selbstverständlich ist es möglich, einfach die Entscheidung von damals, meine Unterlagen im Vergleich mit denen der anderen Bewerber, noch einmal zu treffen. Welche Folgen eine eventuell anderslautende Entscheidung hätte, wäre dann eine ganz andere Frage". Diese Argumentation beschränke ihn in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes.

Schließlich sei es im Verwaltungsrecht, zum Beispiel im Beamten-, aber auch im Subventionsrecht, absolut üblich, auf Neubescheidung zu klagen, wenn ein anderer bei der Vergabe von Vorteilen bevorzugt wurde. Selbst eine bereits erfolgte Ernennung des erfolgreichen Bewerbers könne rückgängig gemacht werden, wenn die Konkurrenten nicht zuvor die Möglichkeit hatten, einstweiligen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung zu beantragen. Die habe es für ihn, so Richter im Jahr 2010, nicht gegeben. Erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens hatte er die Mitteilung erhalten, dass seine Bewerbung wegen starker Nachfrage und nur eines verfügbaren Stipendiums nicht einmal in die Vorauswahl gekommen sei.

Diese öffentlich-rechtlichen Grundsätze will Richter angewendet sehen. Eigentlich müsste das Verfahren nämlich seiner Ansicht nach vor den Verwaltungsgerichten stattfinden. Die Beklagte ist eine vom Saarland gegründete gemeinnützige Stiftung, die Stipendien an Studierende der saarländischen Hochschulen vergibt. "Mit dieser Stiftung bedient sich das Saarland eines von ihm konstruierten privatrechtlichen Rechtsträgers", so Richter. So entziehe es sich seiner Verantwortung und flüchte ins Privatrecht. Das bekomme er nun zu spüren, weil er durch den zivilrechtlichen Rechtsweg, den er einschlagen müsse, schlechter gestellt werde als in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren, in dem unter viel geringeren Voraussetzungen ein Rehabilitationsinteresse angenommen werde, so seine Argumentation.

Rechtsfortbildung im Namen der NPD

"Das ist für mich Jura im besten Sinne: Wenn ich etwas bewegen kann und Rechtsfortbildung betreiben", sagte Richter gegenüber LTO. Man muss den Mann, dessen Name spätestens seit seinem Auftritt für die NPD im Verbotsverfahren vor dem BVerfG auch einem breiten Publikum geläufig ist, nicht gut kennen, um zu begreifen, dass er diese Sache durchziehen wird. Besonders gern betreibt der Anwalt mit dem Kanzlei-Sitz an derselben Saarbrücker Adresse wie die NPD-Landeszentrale, die Rechtsfortbildung nämlich im Rahmen von Verfahren gegen angebliche Diskriminierung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei. Die sieht er überall, erwähnt im Gespräch ebenso nebenbei wie selbstverständlich Verfahren von Parteikollegen, die "auch diskriminiert werden".  

Ob es ihm gelingen wird, nun im dritten Anlauf die Instanzgerichte davon zu überzeugen, dass er wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD kein Stipendium bekommen hat, könnte auch von den Gründen des BGH-Urteils abhängen, die noch nicht veröffentlicht wurden. In der bislang einzig verfügbaren Pressemitteilung finden sich zwar Ausführungen dazu, dass die beklagte Stiftung bei ihrer Entscheidung mehrere Aspekte berücksichtigt und das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass Richter durch die Ablehnung diskriminiert worden sei. Diese Ausführungen dürften aber, zumal sie vermutlich nicht einmal in entscheidungserheblichem Kontext getätigt wurden, als bloßes obiter dictum jedenfalls formal keine Bindungswirkung entfalten.

Aus der Sicht von Richter jedenfalls liegt bisher noch keine Entscheidung in der Sache vor. Und er wird, mindestens im Rahmen des Schadensersatzverfahrens, alles daran setzen, eine solche Entscheidung zu bekommen. Auch wenn er dafür darlegen und beweisen muss, dass er bei ordnungsgemäßer Vergabe das Stipendium hätte erhalten müssen – eine Beweisführung, die selbst der BGH wegen des weiten Entscheidungsspielraums der Stiftung für schwierig erklärt und die der NPD-Anwalt ohne die Unterlagen der Stiftung seiner eigenen Meinung nach gar nicht erbringen kann. Aber auch das sieht er positiv: In der mündlichen Verhandlung habe der BGH-Senat deutlich gemacht, dass er die bisherige Bewertung der Darlegungs- und Beweislastverteilung in Bezug auf die behauptete Diskriminierung durch die Instanzgerichte für nicht tragfähig halte.

Man darf damit rechnen, dass der NPD-Anwalt, um sich das bestätigen zu lassen, notfalls noch einmal bis zum BGH – oder gar weiter - gehen wird. Und damit vielleicht für die Fortbildung des Rechts sorgt. Ganz sicher aber für die PR-Arbeit der Rechten.

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, NPD-Anwalt scheitert mit Diskriminierungsklage vor BGH: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21485 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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