3/7: Besser schreiben für Besserwisser: Tonio Walters "Kleine Stilkunde für Juristen"
Tonio Walter hat nach sieben Jahren seine Kleine Stilkunde neu aufgelegt. Nun ist er nicht der Einzige, der sich um stilsicheres Deutsch bemüht. Aber der Hochschullehrer aus Regensburg ist eben einer der wenigen, die das speziell für Juristen tun. Und das ist, wenn ich das aus der Sicht einer Schlussredakteurin von Texten von und für Juristen mal in aller Deutlichkeit sagen darf, bitter nötig.
Die dritte Auflage hat der Strafrechtler erweitert um die Fragen des Genderns (lehnt er kategorisch ab, u.a. als Diskriminierung von Intersexuellen), das Englische im Deutschen (hält er für mehr Last als Gewinn) und einen neuen Abschnitt zu "Deutsch als Sprache der Rechtwissenschaft" (will er wegen der Einheit von Sprache und Recht unbedingt treu bleiben).
Walters recht ausschweifende Überlegungen zu Sprache und Stil kann, wer gute Sprache lernen will, getrost überspringen. Für den Anfang völlig ausreichend wäre es, seine Stilregeln zu beachten.
Wer nur die Hälfte dessen weg lässt, was Walter als überflüssig darstellt, wäre schon bei einem vernünftigen Text angekommen. Kurz und knapp zeigt er, wieso man auf die "gegebene" Sachlage getrost verzichten kann, sich sogenannte Vorreiter wie "Die Tatsache, dass" fast immer schenken und dass einsilbige Wörter die besten sind.
Nach drei Sekunden löscht das menschliche Kurzzeitgedächtnis den Speicher, gibt Walter die Erkenntnis von Stilpapst Wolf Schneider weiter. Und leitet daraus ab, wie man auf Schachtelsätze verzichtet, das Trennen und Klammern verhindert und bessere Verben verwendet.
Walter geht es um weit mehr als nur genaue Fachbegriffe. Verben sind die besseren Nomen, das Passiv heißt nicht umsonst Leideform und eine doppelte Verneinung ist doppelt so schwer zu verstehen wie die bejahende Aussage. Er präsentiert den richtigen Gebrauch des Konjunktivs, lehrt den Unterschied zwischen Haupt- und Nebensätzen und erzählt vom Erzählen – all das mit Beispielen aus der Juristerei, deren vertraute Diktion dem Leser ihre Absurditäten, die über fachsprachlich Nötiges weit hinausgehen, schnell offenbart.
Ein Kapitel widmet Walter, der 2005 einen Roman veröffentlicht hat, dem Gutachten- und Urteilsstil. Er zeigt dabei, dass der Schreibende – auch wenn er Jurist ist – stets im Auge haben muss, wen er mit seinem Text ansprechen will. Der Strafrechtler warnt vor Anführungszeichen als Merkmale allzu verzagten Schreibens und vor Bildern, die er als "verwackelt" bezeichnet. Die Überschriften so mancher juristischen Fachzeitschrift zeigen, wie nötig diese Lektion noch immer ist.
Walters Meinungen zu Stilmitteln und Stilfragen muss man nicht teilen, vorsichtig formuliert trifft der Rechtwissenschaftler, der sich u.a. gegen "feministische Kriminalpolitik" positioniert hat, mit vielem nicht gerade den Zeitgeist. Oft muten seine Ausführungen altklug, manchmal besserwisserisch an. Dennoch kann jeder Jurist vom Studienanfänger bis zum renommierten Fachautoren von ihm bessere Sprache lernen. Und nicht nur Besserwisser, sondern alle, die Sprache lieben und Recht verstehen, können mit der Neuauflage seines Werks genau das haben, was Walter seinen Lesern am Ende des Vorworts wünscht: viel Freude beim Lesen.
Tonio Walter, Kleine Stilkunde für Juristen, 3. Auflage, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-69876-5
Pia Lorenz, Last-Minute-Weihnachtsgeschenke: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26153 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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