In einer Rechtsredaktion landet übers Jahr so einiges, was rezensiert werden möchte. Manches davon haben wir gelesen oder lesen lassen. Darunter: ein Anwalts-Thriller, ein Justizroman und das Entenhausener Gesetzbuch.
1/7: Rechtsstaat, populärwissenschaftlich: Jens Gnisas "Das Ende der Gerechtigkeit"
Sollte man ein Buch lesen, dessen Titel "Das Ende der Gerechtigkeit" lautet? Viele Menschen scheinen diese Frage positiv beantwortet zu haben, denn das Werk schaffte es – trotz oder wegen seines reißerischen Titels - auf die Spiegel-Bestseller-Liste. Und der Richter, der laut seinem Untertitel "Alarm schlägt", ist immerhin der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds (DRB).
Mit dessen Gremien sei das Buch, das in der Richterschaft nicht durchgängig auf Begeisterung stieß, zwar nicht abgesprochen, so Jens Gnisa im Interview mit LTO kurz vor Erscheinen. Aber es greife auch viele Forderungen des DRB auf.
Dabei scheut Gnisa vor Schlagworten nicht zurück, passagenweise liest er sich eher wie ein Kommunalpolitiker als wie der Jurist, der der Direktor des Amtsgerichts Bielefeld ist. Man müsse die Worte verwenden, die auch die Menschen verwenden, sagte er im LTO-Interview. So erklärt er - fast mehr Politisches als Justizielles - mit einer Einfachheit, die an manchen Stellen naiv anmutet. Innenpolitisches wie den Umgang mit Flüchtlingen (erhebliche Vollzugsdefizite bei Abschiebungen), Terror (den Rechtsstaat nicht abbauen) oder Kinderehen (regelmäßig akzeptieren) bricht er so herunter, dass er der Verständlichkeit Komplexität opfert, die es zum Verständnis bräuchte. Und doch gelingt es Gnisa auch, juristische Wertungen zu vermitteln, die ohne juristische Vorbildung eigentlich schwer verständlich sind.
Sein "Faktencheck Strafjustiz" beschäftigt sich in einer Art und Weise mit Stammtischparolen, die man als populistisch empfinden kann. Zwingend ist das nicht. Man kann die Zahlen und Fakten, die er gefühlten Wahrheiten zu Straftaten, Strafzwecken oder Strukturen von Kriminalität entgegensetzen will, auch als Ausdruck der Bereitschaft verstehen, sich mit Ängsten zu beschäftigen, deren jahrelange Ignoranz sich als politisch fatal erwiesen hat.
Gnisa will sein Werk als "Debattenbuch" verstanden wissen. Das Recht habe in der Politik nicht genug Fürsprecher, kritisiert er deutlich. Überhaupt sieht er die Ursachen von Übeln stets eher in der Politik als in der Justiz. Laufen bei den Gerichten Dinge schief, führt er das eher auf Personalmangel (also Fehlentscheidungen der Politik) zurück als auf eine mögliche Fehlbarkeit der Menschen, die dort Recht sprechen. Gnisa endet mit Lösungsvorschlägen. Sie reichen von Ideen zur Umsetzung des Brexit über die Positionierung der deutschen Justiz bis zur Entrümpelung des Strafrechts. Ob, wenn sie nicht berücksichtigt werden, das Ende der Gerechtigkeit naht, sagt er nicht.
Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit - Ein Richter schlägt Alarm, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-37729-7
Pia Lorenz, Last-Minute-Weihnachtsgeschenke: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26153 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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