2/2: Robin Hood unter den Inkassounternehmen?
Hat der Fluggast hingegen Ansprüche, so kann er Flightright damit beauftragen, diese gegenüber der Airline außergerichtlich geltend zu machen. "Der EuGH hat 2008 und 2009 in zwei Urteilen (Az. C-549/07 und C-402/07, Anm. d. Red.) klargestellt, dass die Einrede der außergewöhnlichen Umstände eng auszulegen ist. Mittlerweile wissen die Fluggesellschaften auch, dass wir die Sache notfalls bis zum Ende durchfechten, so dass sie nun öfter außergerichtlich zur Zahlung bereit sind", erklärt Kadelbach. "In den ersten Jahren hingegen musste praktisch jeder Fall, der an uns herangetragen wurde, vor Gericht entschieden werden. Die schiere Menge der Verfahren zu bewältigen, war für uns schon ein ziemliches uphill battle."
Doch auch heute führt an einer Klage oftmals kein Weg vorbei. Diese erhebt Flightright nicht etwa selbst, sondern empfiehlt den Kunden vielmehr an einen externen Partneranwalt weiter. Kann der Anspruch letztendlich durchgesetzt werden, so behält Flightright eine Provision von 25 Prozent plus Mehrwertsteuer ein – gelingt dies nicht, erhebt das Unternehmen keine Gebühren und stellt den Kunden von sämtlichen Ansprüchen der Rechtsverfolgung frei.
Diese Konstruktion einer rein erfolgsbasierten Vergütung ist deshalb möglich, weil Kunde, Flightright, und der jeweilige Anwalt in einem Dreiecksverhältnis stehen. Zwar erlauben die §§ 4a Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), 49b Abs. 2 S. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung nur ausnahmsweise die Vereinbarung eines Erfolgshonorars zwischen einem Mandanten und seinem Anwalt, doch davon nicht erfasst ist nach Ansicht von Kadelbach die Konstellation, dass ein Dritter – hier Flightright – das Prozessrisiko auf sich nimmt.
"Wir treten somit in mehreren Funktionen auf: Beratend, weil wir prüfen, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Als Inkassounternehmen, weil wir versuchen, den Anspruch außergerichtlich geltend zu machen. Als Durchsetzungsorganisation, weil wir dem Kunden nötigenfalls einen erfahrenen Reiserechtsanwalt empfehlen und die gesamte weitere anwaltliche Abwicklung begleiten. Und wie eine Art Rechtsschutzversicherung, weil wir durch unser Freistellungsversprechen gegenüber dem Fluggast, gewährleisten, dass niemand mit weniger Geld aus einem Verfahren herauskommt, als er vorher hatte", so Kadelbach.
Masse statt Klasse?
Einen Nachteil hat die Beauftragung von Flightright allerdings. Im Gegensatz zu einer regulären Anwaltskanzlei macht das Unternehmen bislang mit einigen Ausnahmen nur Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung geltend, nicht jedoch die – gemäß Art. 12 Abs. 1 parallel fortbestehenden –Ansprüche nach nationalem (Schadensersatz-)Recht. Das liegt im Geschäftsmodell begründet: Flightright setzt auf die Abwicklung möglichst vieler Verfahren, und die kann weitaus schneller gewährleistet werden, wenn man sich nur auf die Verordnung mit ihren wenigen und leicht nachweisbaren Voraussetzungen stützt, statt auf das deutlich kompliziertere nationale Recht.
Und auch die garantierte Kostenfreiheit bedarf einer kleinen Einschränkung für den Fall, dass der Kunde Flightright zunächst mit der Durchsetzung seines Anspruchs beauftragt, dann aber die Mandatierung des vorgeschlagenen Anwalts ablehnt. In seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lässt Flightright sich für diese Konstellation die Zahlung einer Kündigungspauschale zusichern. Das Amtsgericht Mönchengladbach erklärte diese Klausel erstinstanzlich für unwirksam (Urt. v. 19.01.2013, Az. 36 C 352/12). Das Unternehmen könne nicht einerseits damit werben, dass sein Angebot kostenfrei sei und sie nur im Erfolgsfall ein Entgelt erhalte, während sie sich andererseits eine an den Vorschriften des RVG orientierte "Bearbeitungsgebühr" ausbedinge.
"Wir haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, weil es unserer Ansicht nach falsch ist. Wenn der Kunde die Mandatierung und damit die Klage ablehnt, nimmt er uns die Möglichkeit, unsere Erfolgsprovision zu verdienen. Gleichzeitig gibt es keinen vernünftigen Grund, dies zu tun, da wir die Kunden ja von allen Prozessrisiken freistellen. Wenn wir in der nächsten Instanz dennoch verlieren sollten, würden wir das aber zum Anlass nehmen, unsere AGB kritisch zu überdenken – schließlich ist unser Credo, für Transparenz und Kundenfreundlichkeit einzutreten."
Bald erhält Flightright womöglich noch aus einer weiteren Ecke Konkurrenz, denn die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetzesentwurf zur Schlichtung im Luftverkehr. "Wenn auf diesem Wege wirklich mehr Fluggäste zu ihrem Recht gelangen sollten, würde ich das begrüßen", meint Kadelbach. "Ob eine Schlichtungsstelle das Hauptproblem, nämlich die oftmals fehlende Zahlungswilligkeit einiger Airlines, lösen kann, bezweifele ich aber."
Constantin Baron van Lijnden, Webportal treibt Entschädigungen ein: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8255 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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