Drei Juristen haben sich das Grundrechte-Quartett ausgedacht, um Rechte und Verfassungsprinzipien stärker ins Gespräch zu bringen. Nicht-Juristen dürften einige Fragen dazu haben, für Rechtswissenschaftler ist es ein witziges Gimmick.
Drei Wissenschaftliche Mitarbeiter von der Ruhr-Universität Bochum haben ein Grundrechte-Quartett herausgegeben. Mit 32 Karten, eingeteilt in Kategorien wie "Persönliche Freiheitsrechte", "Justizgrundrechte" bis zu nur ausgedachten Grundrechten, kann man Quartett spielen, wie es viele seit Kindertagen kennen: Entweder man sammelt je vier Karten einer Kategorie, um zu gewinnen, oder die Spieler stechen sich gegenseitig aus, indem sie den besseren Wert auf ihrer Karte einem Mitspieler zurufen, bis einer alle Karten gewonnen hat.
Für die zweite Spielvariante haben die Macher die Grundrechte bewertet, je sechs Symbole finden sich auf jeder Karte: Verständlichkeit, Weite des Schutzbereichs, Gewährleistungsdimension, Alltagsrelevanz sowie – und hier gewinnt der niedrigste Wert – Beschränkbarkeit und Gefährdetheit.
Die Idee zu dem Spiel hatten Christian Rühs (28), Dr. André Bohn (30) und Marina Carlsen (29). Die drei kennen sich von der Ruhr-Universität Bochum, wo sie gemeinsam an einem Lehrstuhl für Strafrecht gearbeitet haben, in ihren Dissertationen aber teilweise erhebliche Schnittstellen zum Verfassungsrecht hatten bzw. haben.
Sie waren irgendwann auf die Äußerung des damaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich gestoßen, der 2013 gesagt hatte: "Sicherheit ist ein Supergrundrecht". Daraus ist die Idee zum Quartett entstanden - mit dem "Supergrundrecht auf Sicherheit" als Trumpf in der Sonderkategorie "Halluzinationen" – H1 bis H4 - zusammen mit den drei weiteren erfundenen Rechten: dem auf Faulheit, dem auf vor Schutz vor der Islamisierung des Abendlandes und dem auf Rausch.
Probleme bei der Parallelwertung in der Laiensphäre
So ganz ausgedacht sind allerdings auch diese Rechte nicht, sie wurden zumindest diskutiert. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einst entschieden, dass eine Bewährungsauflage, die zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet, gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit verstößt (BVerfG, Beschl. v. 21.10.1981, Az. 1 BvR 52/81). Auch das "Recht auf Rausch" findet seinen Ursprung in einer Entscheidung des BVerfG: Das entschied in Bezug auf Cannabis, dass es ein solches nicht gibt (BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994, Az. 2 BvL 43/92 u.a.). Komplett ausgedacht ist aber der "Schutz vor der Islamisierung des Abendlandes", das sei eine Reaktion auf "irrationale Ängste mancher Leute", teilen die drei Juristen auf ihrer Website mit.
Nicht-Juristen dürften mit einigen Karten zunächst Schwierigkeiten haben: Was bedeutet zum Beispiel "ne bis in idem", was ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und womöglich auch die Dimension des rechtlichen Gehörs könnten für Laien unverständlich sein. Selbiges dürfte für die Kategorien Beschränkbarkeit oder Weite des Schutzbereichs gelten.
"Wir wollen die Spieler zum Nachdenken anregen"
Doch womöglich schadet es nicht, dass einige Begriffe und auch die Bewertungen in den diversen Kategorien nicht auf Anhieb nachvollziehbar sind. "Wir haben von juristischen Laien schon Nachfragen dazu bekommen, wie wir die Werte für Rechte ermittelt haben", erzählt Bohn, der inzwischen als Anwalt zugelassen ist. "Und genau das war unsere Idee: dass die Menschen aktiv darüber nachdenken und zur Diskussion angeregt werden." Schlussendlich seien die Bewertungen subjektive Einschätzungen, die andere Juristen anders bewerten könnten, so die Quartett-Macher.
Etwas lästig ist, dass die Entwickler mit Symbolen für die Kategorien gearbeitet haben, anstatt einfach die Wörter der Kategorien auf die Karte zu schreiben – wobei man sich die Kategorien nach wenigen Spielrunden merken kann. Nicht überzeugend ist auch, dass in einer Grafik gar ein in Deutschland nicht vorkommender Hammer Verwendung fand.
Bestellt haben die drei zunächst 1.500 Exemplare, zur Produktion des Spiels kamen Kosten für die Entwicklung und das Betreiben der Homepage, für die Grafik und den Aufbau des Kleinunternehmens "recht-unterhaltsam" inklusive der Markenanmeldung hinzu. Die Arbeitsstunden dürfe man dabei nicht berücksichtigen, sagt Bohn. „Durch die Spende einer Stiftung und durch eine Crowdfunding-Kampagne konnten die eigenen Kosten aber deutlich gesenkt werden."
Grundrechte-Quartett: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35569 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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