Der Weltraum und das irdische Recht: Wem gehören Sonne, Mond und Sterne?

von Martin Rath

12.04.2015

2/2: Grundstücke auf dem Mond?

Insbesondere für die International Space Station ISS wurde das Korsett an juristischen Normen so eng gestrickt, dass es nicht Wunder nähme, jedem Astro- oder Kosmonauten noch einen Rechtsbeistand ins All hinterherzuschießen: Das ISS-Übereinkommen vom 29. Januar 1998 regelt neben Betriebsfragen nicht zuletzt das Geistige Eigentum und die Handhabung der Strafgerichtsbarkeit bei Delikten an Bord der Raumstation (BGBl. II 1998, Nr. 38, S. 2445).

Neben der Freude am rechtspositivistischen Detail scheint auch die feste Überzeugung vorzuherrschen, dass die eingeschlagene Richtung stimmt, wenn bewährter Rechtskonstruktionen irdischer Fabrikation auf extraterrestrische Gegenstände übertragen werden. Beispielsweise äußerte sich der Kölner Weltraumrechtler Stephan Hobe 2013 klar gegen den Gedanken des US-amerikanischen Geschäftsmannes Denis Hope, der glaubte, das völkerrechtliche Verbot, Hoheitsrechte an Himmelskörpern zu begründen, hindere ihn nicht daran, Grundstücke auf dem Mond zu beanspruchen und zu veräußern.

Der britisch-rumänische Weltraum-Jurist Virgiliu Pop machte sich 2002 auf unterhaltsame Weise über die Mond-Ansprüche von Hope lustig, indem er für sich einen entsprechenden Eigentumstitel für die Sonne reklamierte.

Ist damit der Zweifel, den Adrian Bueckling, der irdisch als Landgerichtsrat zu Mayen lebte und sich ums deutsche Weltraumrecht verdient machte, überwunden? Beseitigen positivrechtliche Detailregelungen und Glaubensfestigkeit, was den Weltraum als universell eigentumsfreie Zone betrifft, die Notwendigkeit, grundsätzlich "rechtutopisch" über vielfach dystopische Entwicklungen nachzudenken?

Schmerzensgeld wegen Sonnenbrand vom "Eigentümer" der Sonne?

Virgiliu Pop löste seinen juristischen Witz auf, indem er sinngemäß erklärte: Solange niemand ihn erfolgreich wegen Schäden verklagte, für die er haftbar gemacht werden könnte, nähme man sein Eigentum an der Sonne ernst, beispielsweise Schmerzensgeld wegen Sonnenbrand oder Behandlungskosten wegen Hautkrebs, wolle er darauf verzichten, Ansprüche geltend zu machen, weil jedermann Nutzen aus dem Sonnenlicht zöge.

Daraus lässt sich allerdings nicht nur der Witz ziehen. Was, wenn die Zuweisung eines Eigentumstitels einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht und eine Zugriffskontrolle auf den Gegenstand jedenfalls im Ansatz möglich ist? Es muss ja nicht die Sonne betreffen. Aber würden beispielsweise die Ressourcen der Weltmeere nicht besser bewirtschaftet, stünden sie etwa im Eigentum kapitalstarker Internet-Firmen – insofern und sobald diese jedem mit GPS und Mobiltelefonie ausgestatteten Fischerboot in die Netze schauen können sowie die Marktdaten für Fisch in jedem Küstendorf und für jede Fischdosenfabrik verfügbar halten?

Und um auf die Gestirne zu schauen: Sollte die Kernfusion zur Stromerzeugung jemals technisch beherrschbar werden, dürften Eigentumsansprüche an Mondgrundstücken schnell ihre für offenkundig erklärte Absurdität verlieren: Helium 3, das nützliche Isotop, ist auf dem Mond reichlich vorhanden.

Roboterethik, Drohnenrecht und autoritäre Staaten

Natürliche Ressourcen im Eigentum "böser" Kapitalgeber, technologische Utopien wie die Kernfusion als Anlass, normative Überzeugungen umzustürzen: Das will als Einladung verstanden werden, dem Pathos Adrian Buecklings aus dem Jahr 1962 wieder etwas abzugewinnen, sich rechtsutopisch der "grundstürzenden Tatbestände" – nicht allein in Weltraumfragen – anzunehmen.

Die Ideen zu Problemen sind ja auf dem Markt: Beispielsweise publizierte der britische Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke (1917-2008) bereits 1945 die Idee, geostationäre Satelliten als Kommunikationsrelais zu verwenden – ein Gutteil des Weltraumrechts nimmt sich dieses Gegenstand an. Drei Jahre vor Clarke wies sein Kollege Isaac Asimov (1919-1992) auf das Problem der Roboterethik hin. Man möchte hoffen, dass die aktuelle Diskussion um die Einhegung autonomer Kampfmaschinen etwas von diesen humanistischen Vorüberlegungen aufgreifen kann.

Nicht zuletzt erinnert der erste Mensch im Weltall daran, wie wichtig es ist, den Kopf gelegentlich dazu zu verwenden, die Richtung des Denkens zu verändern: Juri Gagarin starb sieben Jahre nach seiner Erdumrundung bei einem Flugzeugunfall. Die Unfallumstände blieben über Jahrzehnte unter Verschluss, von einer straf-, zivil-, luftverkehrsrechtlichen Aufklärung kann bis heute nicht gesprochen werden. Die Sowjetunion war noch weniger als das heutige Russland ein Rechtsstaat mit Gerichtsöffentlichkeit und Akteneinsichtsrechten. Wie das Recht die Technik reguliert, sagt also manchmal schon einiges über den Staat aus, der das Recht geschaffen hat.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Der Weltraum und das irdische Recht: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15198 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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