3/3: Drei juristische Spielzeuge für Spießer und Spaßvögel
Abgesehen von diesen Möglichkeiten, sich oder anderen mit mehr der weniger rechts- und realitätsnahen Materien zu Weihnachten ein behagliches Frösteln zu bereiten, sollen nun einige Spielzeuge vorgestellt werden. Man muss ja nicht immer nur lesen.
Dieser Tage ironisierte ein bekannter Düsseldorfer Rechtsanwalt das Angebot eines großen deutschen Discounters, der einen Entfernungsmesser feilbietet, geeignet insbesondere auch für private Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr. Udo Vetter imaginiert dazu einige typisch deutsche Spießer, die sich an der Freiheit des Autofahrers zu schaffen machen wollen, dazu private Geschwindigkeitskontrollen beginnen. Man muss mit Rechtsanwalt Vetter nachsichtig sein, dass er sich ein solches Gerät nur in Spießerhand vorstellen kann: Der Mann wohnt in Düsseldorf. Im Vergleich zu anderen Städten soll die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen über eine funktionierende Verwaltung verfügen. Anderenorts, in Köln beispielsweise, hört man von derlei nur gerüchteweise. Im Sommer dieses Jahres trennte den Verfasser ein knapper Meter vom Körperkontakt mit einem Pkw, der helllichten Tages mit geschätzten 70 km/h durch sein Rotsignal an einer Fußgängerampel bretterte. Nicht weiter bemerkenswert, denn es war schon das zweite Mal. An dem Gerät, gegen das Udo Vetter als Weihnachtsgabe für Spießer polemisierte, kann man daher eigentlich nur bemäkeln, dass es keine Video- und Upload-Funktion für ertappte Rowdies verfügt. Eigentlich ist es doch eine, wenn nicht basisdemokratische, so doch basisrepublikanische Idee, sollte das Volk mit derlei Spielzeug die Verwaltung des Straßenverkehrs by the people übernehmen.
Juristen können grandiose Redner sein. Cicero beispielsweise, der römische Politiker, hat mit seinen anwaltlichen Plädoyers das Idiom der latinischen Ziegenhirten auf ein derart hohes Niveau gebracht, dass es nicht nur Generationen humanistischer Gymnasiasten verzückte, sondern noch die aktuellen Cicero-Thriller des britischen Schriftstellers Robert Harris von dieser Rhetorik leben. Es heißt, Fidel Castro habe seine rhetorische Kunstfertigkeit als Rechtsanwalt gelernt. Das war allerdings, bevor er endlose Tiraden vor willigen Zuhörern hielt – seine Plädoyers als politischer Angeklagter sollen ganz brauchbar gewesen sein.
Kurz gesagt: Das Recht leidet, wenn es an Mündlichkeit verliert, wenn es zu den Akten kommt – noch mehr, wenn es aus den Akten nicht wieder herauskommt. Krönung allen Übels sind Textbausteine. Die ganze Kunst eines intellektuell und rhetorisch geschliffenen Schriftsatzes wird im Handumdrehen vom Textbausteinchen eines effizient arbeitenden Gerichts zerschmettert. Das kann man nicht billigen, aber in Zeiten der elektronischen Textverarbeitung muss man wohl realistisch bleiben.
Wenn aus kleinen Menschen einmal nicht allzu große Juristen werden sollen, bietet sich als passendes Weihnachtsgeschenk daher ein "Lauflernwagen Blauklötze mit viel Zubehör" an. Er lehrt den ökonomischen Umgang mit Komplexität. Außerdem kann das Gefährt später während der ersten Semester zum Transport von Palandt & Co. verwendet werden. Das muss dem Schönfelder transportierenden Lauflernwagenfahrer dann vor den Kommilitonen gar nicht peinlich sein. Derlei nennt man heute "retro".
Zwar gehört die Fachanwaltschaft für Arbeitsrecht zu den mitgliederstärksten juristischen Waffengattungen, gleichwohl erschließen sich sogenannte Personalratgeber eine Öffentlichkeit, die sich trotz vieler böser Bemerkungen von fachkundigen Juristen nicht beseitigen lässt.
Das Arbeitszeugnis gehört sicherlich zu den Dingen, die viele Juristen schlicht lächerlich finden, sogar unabhängig vom Inhalt: So hatte das Bundesarbeitsgericht 1995 in seinem wohl "billigsten" Fall über die Frage zu befinden, ob das Arbeitszeugnis Hol- oder Bringschuld sei – ein Anwalt und seine vormalige Gehilfen stritten ums Porto. Dieser Tage urteilte das BAG über die Höflichkeitsformeln.
Hinter den Inhaltsstreitigkeiten steckt die Vermutung, das Arbeitszeugnis enthalte neben Auskünften zur Leistung eines Arbeitnehmers auch verschlüsselte Informationen, mit denen ihm der vormalige Arbeitgeber das Leben bei künftigen Bewerbungen zur Hölle machen könnte. Die "Frankfurter Allgemeine" spottete darüber einmal, das US-Militär hätte im Zweiten Weltkrieg, statt Navajo-Indianer als Funker zu rekrutieren, auf die deutsche Arbeitszeugnissprache zurückgreifen sollen. An letzerer hätte sich der japanische Feind genauso die Zähne ausgebissen wie an der unbekannten Indianersprache.
Dies macht Bücher wie "Arbeitszeugnisse formulieren und entschlüsseln" für Juristen, die sich über dieses Nebengebiet des deutschen Arbeitsrechts ereifern, zu einem lustigen Weihnachtsgeschenk. Statt Bleigießen zu Silvester oder harmloser Persönlichkeitsspiele lässt sich viel Spaß aus derlei Ratgebern ziehen: Beurteilen Sie die selbstgebastelten Weihnachtsgeschenke Ihres Nachwuchses in Zeugnissprache! Bewerten Sie das Weihnachtsessen analog zur Würdigung von Arbeitnehmerverhalten im Zeugnis und verstecken Sie neckisch das Buch, falls es nicht geschmeckt hat! Und wenn erst Kinder und Jugendliche die geheimen Zeugniscodes für ihre Computer- und Rollenspiele entdeckt haben, besteht Hoffnung, dass das Arbeitszeugnis seinen Ruf als konfliktträchtige Materie des Arbeitsrechts endlich verliert und zur Freude für jedermann wird.
Apropos: Konfliktträchtigkeit – Schwiegermutter-Krawattenproblem
Die sprichwörtliche Schwiegermutter, die ihr alljährliches Krawattengeschenk mit den Worten überreicht: "Sie gefällt dir ja sowieso nicht!" zählt zu den Standardfiguren psychologischer Kommunikationsratgeber. Es geht ums Doublebind. Lautet die Antwort "Ja, hässlich!" ist die Dame beleidigt, weil sie keinen Geschmack hat. Antwortet der Beschenkte "Nein, sie ist doch schön!", zieht der Konflikt auf, weil beide wissen, dass die Krawatte hässlich ist und der Schwiegersohn aus bemühter Höflichkeit lügt.
Entgegen weit verbreiteter Gerüchte, Juristen müssten vor Gericht eine weiße Krawatte tragen, weil das zur Wahrheitsfindung beiträgt – ein ohnehin absurder Gedanke –, ist zu vermuten, dass männliche Juristen Weihnachtskonflikte zu umgehen versuchen, indem sie ihren Bestand an Halsbindern auf weiße Exemplare zu beschränken bemüht sind.
Natürlich können sich Juristen nicht um Konflikte drücken. Darum empfiehlt es sich, statt mit der Schwiegermutter mit einem funktionalen sozialen Äquivalent zu zanken. Weil eine Doublebind-Situation durch weiße Krawatten vermieden wird, bietet es sich an, unter juristischen Kollegen das kleine, fast weiße Büchlein zu verschenken.
Nicht, dass irgendein Zweifel daran bestünde, dass dies ein perfider Scherz ist. Aber zu gern wüsste man doch, wie manch ein beschenkter Jurist reagierte, wenn er das Grundgesetz mit den Worten erhält: "Sie können vermutlich nicht so viel damit anfangen."
Literaturtipps:
Jobst-Hubertus Bauer: "Recht kurios. Amüsantes und Trauriges", C.H. Beck, 292 Seiten, 29,90 €
ISBN-13: 978-3406642388
Jürgen Seul: "Wo sind die Buddenbrooks?: Und andere juristische Anekdoten aus der Weltliteratur", Verlag Otto Schmidt, 208 Seiten, 24,80 €
ISBN-13: 978-3504010140
Michael Goldhammer: "Geistiges Eigentum und Eigentumstheorie: Rekonstruktion der Begründung von Eigentum an immateriellen Gütern anhand der US-amerikanischen Eigentumstheorie", Mohr-Siebek, 458 Seiten, 79 €
ISBN-13: 978-3161509933
Joachim Rückert & Ralf Seinecke (Hg.): "Methodik des Zivilrechts -– von Savigny bis Teubner", Nomos, 599 Seiten, 34 €
ISBN-13: 978-3832970826
Ross Thomas: "Gottes vergessene Stadt", Alexander Verlag, 352 Seiten, 12,90 €
ISBN-13: 978-3895811609
David Simon: "Homicide", Verlag A. Kunstmann, 800 Seiten, 24,90 €
ISBN-13: 978-3888977237
oder Heyne-Verlag 832 Seiten, 11,99 € ISBN-13: 978-3453676350
Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.
Martin Rath, Geschenkratgeber: . In: Legal Tribune Online, 16.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7798 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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