NS-Vergangenheit von Otto Palandt und Heinrich Schönfelder: "Dem Natio­nal­so­zia­lismus rück­haltlos gedient"

von Hasso Suliak

29.06.2023

Palandt, Schönfelder, Maunz, Blümich: Diverse NS-Juristen schmückten bis 2021 die Cover juristischer Standardwerke des Beck-Verlages. Die tiefe Verbundenheit der zwei Erstgenannten mit dem Hitler-Regime belegt jetzt auch ein Gutachten.

Jahrelang hatte der C.H. Beck-Verlag gezögert und gezaudert: Erst im Juli 2021 und nach anhaltender Kritik wegen seines beharrlichen Festhaltens an NS-Herausgebern als Namensgeber wichtiger juristischer Standardwerke entschloss sich der Verlag zur Umbenennung seiner Werke "Palandt", "Schönfelder", "Maunz/Dürig" und "Blümich".

So trägt seit der 81. Auflage von Dezember 2021 der legendäre BGB-Kommentar "Palandt" den Namen des Richters am Bundesgerichtshof Christian Grüneberg. Die Gesetzessammlung "Schönfelder" wird nun nach dem früheren Präsidenten des Deutschen Juristentages Mathias Habersack benannt. Der Loseblattkommentar zum Grundgesetz von Maunz/Dürig heiß jetzt Dürig/Herzog/Scholz. Umbenannt wurde auch der Steuerrechtskommentar "Blümich", benannt nach dem überzeugten NS-Juristen Walter Blümich. Dieser hatte in der Nazi-Zeit maßgeblich die fiskalische Entrechtung jüdischer Bürger zu verantworten. Zur Umbenennung des Palandts hatte sich seinerzeit sogar die Initiative "Palandt umbenennen" gegründet. Heute heißt sie: "Palandt umbenannt: Initiative für eine kritische Erinnerungskultur in der Rechtswissenschaft".

Seit Mittwochabend weiß man zur NS-Verstrickung von Otto Palandt und Heinrich Schönfelder mehr - oder besser: noch mehr. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) präsentierte im Auftrag des bayerischen Justizministers Eisenreich eine bereits im Mai 2021 angekündigte Studie, die eigentlich schon im vergangenen Jahr fertig hätte vorgelegt werden sollen.

Palandt-Kommentar: "Instrument der nationalsozialistischen Rechtsrevolution"

Diese kommt nun zu dem Ergebnis, dass Otto Palandt als Beamter und Richter nach 1933 "dem Nationalsozialismus rückhaltlos gedient" und "insgesamt zu einer Vertiefung der nationalsozialistischen Unrechtsauffassung beigetragen" habe. Der langjährige Präsident des Reichsjustizprüfungsamts habe von 1933 bis 1943 maßgeblich daran mitgewirkt, den Weimarer Rechtsstaat abzuschaffen. In diesem Sinne sei Otto Palandt ein wichtiger Dozent und Lehrer des NS-Unrechtsstaats gewesen, zudem ein Protagonist des NS-Regimes, der mit großer Eigeninitiative und viel Engagement ganz maßgeblich zur Um- und Durchsetzung der politisch-ideologischen Vorgaben hinsichtlich der juristischen Ausbildung und des Prüfungswesens beigetragen habe.

Der "Palandt" sei bis 1945 ein Kommentar gewesen, der antisemitische, antiliberale, rassistische und aggressive Lehren des Nationalsozialismus auf das im 19. Jahrhundert formulierte bürgerliche deutsche Recht übertrug und die nationalsozialistischen Tabubrüche als normal erscheinen ließ. Zwischen 1939 und 1945 sei das Werk "Bestandteil und Instrument der nationalsozialistischen 'Rechtsrevolution' gewesen, so das Studienergebnis.

Schönfelder schwärmte von faschistischer Diktatur

Hinsichtlich der Person Heinrich Schönfelder konstatiert das Gutachten, dass dieser bereits in der Weimarer Republik zu den "rechtsextremistischen Demokratiefeinden" gehörte. In seiner 1926 erschienenen Dissertation habe Schönfelder für die Einführung einer faschistischen Diktatur in Deutschland plädiert. Diese Staatsform sei am besten geeignet, um im vermeintlichen Interesse des Volkes die "lange vergötterten" Ideale von Freiheit, Republik und parlamentarischer Demokratie "endlich" abzulösen.

Schönfelders antisemitische und antisozialistische bzw. antikommunistische Haltung habe insbesondere Niederschlag in einer von ihm ab 1929 verlegten Heftreihe mit Prüfungsfällen gefunden. In diesen für die Vorbereitung von Studentinnen und Studenten auf die juristischen Staatsexamina konzipierten Bänden habe Schönfelder die Fallbeispiele vielfach suggestiv und manipulativ entlang antisemitischer und antisozialistischer Stereotype konstruiert. Während des "Dritten Reichs" habe er sich "vorbehaltlos mit den Zielen des Nationalsozialismus identifiziert und als Beamter und Richter zu deren Umsetzung beigetragen".

Minister Eisenreich: "Vermutungen haben sich bestätigt"

Bayerns Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich (CSU), der die Ergebnisse des Gutachtens gemeinsam mit IfZ-Direktor Prof. Dr. Andreas Wirsching und dem Autor der Studie Dr. Lutz Kreller am Mittwochabend vorstellte, würdigte die wissenschaftliche Untersuchung in einer Presseerklärung: "Die Studie des IfZ hat bereits vorliegende Erkenntnisse, aber auch Vermutungen bestätigt und neue und unbekannte Aspekte aus dem Leben von Palandt und Schönfelder ans Licht gebracht. Sie belegt, in welchem Umfang diese beiden Namensgeber juristischer Standardwerke in das NS-Unrecht verstrickt waren." Alle Juristen, so Eisenreich, müssten aus dem dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit und dem beispiellosen Zivilisationsbruch lernen. Es sei wichtig, "sich mit den gravierenden Folgen von rechtsstaatlichen und ethischen Maßstäben losgelösten juristischen Handelns auseinanderzusetzen".

Dass sich die Untersuchung des IfZ nur auf die beiden Herausgeber Palandt und Schönfelder und nicht auch auf Staatsrechtler Theodor Maunz oder den Steuerrechtler Walter Blümich erstreckte, hatte das bayerische Justizministerium gegenüber LTO seinerzeit damit begründet, dass die "prominentesten Standardwerke" Palandt und Schönfelder "als Hilfsmittel bei den juristischen Staatsprüfungen zugelassen sind. Es bestehe deshalb "ein besonderes Interesse an der Namensgebung".

Beck-Verlag kam Gutachten zuvor

Weiter hieß es vor rund zwei Jahren aus dem bayerischen Justizministerium: "Das Gutachten soll laut dem Verlag eine wichtige Grundlage für die Entscheidung sein, wie der Verlag C.H.BECK künftig mit diesen Herausgebernamen umgehen wird". Es kam bekanntlich anders: Wenige Wochen nach der Gutachten-Vergabe an das IfZ benannte C.H. Beck nicht nur die Werke von Palandt und Schönfelder um.

Prof. Dr. Klaus Weber, Mitglied der Geschäftsleitung des C.H.Beck Verlages, erklärte dazu am Donnerstag: "Der Verlag hatte sich in diesem Zusammenhang entschlossen, die Namen aller Werke zu ändern, deren Namensgeber in der NS-Zeit eine aktive Rolle gespielt hatten. Die neuen Forschungsergebnisse haben das Bild von Palandt und Schönfelder nochmals abgerundet. Sie bestätigen uns, 2021 die richtige Entscheidung getroffen zu haben."

Eine Kurzfassung des IfZ-Gutachtens findet sich hier. Das vollständige Gutachten im Auftrag des bayerischen Justizministeriums wird noch in diesem Jahr in einer Reihe des IfZ veröffentlicht werden.
 

Zitiervorschlag

NS-Vergangenheit von Otto Palandt und Heinrich Schönfelder: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52106 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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