Kunst und Recht: Immer wieder Ärger mit Sal­vador Dalí

von Martin Rath

14.07.2019

Ein Bordell in Westfalen wird zurzeit von einer spanischen Stiftung belangt, die sich um den Nachruhm Dalís sorgt. Es ist nicht der erste Fall, mit dem der surrealistische Künstler Rechtsgeschichte schreibt.

Woher soll ein Bordellbetreiber im westfälischen Sauerland schon wissen, dass es heikel sein könnte, seinen Betrieb mit dem Namenszusatz "Dali" zu schmücken?

Nun gut, niemand würde es für eine schlaue Idee halten, ein Bademoden-Geschäft nach Caroline von Monaco (1957–) zu benennen oder sein Kampfsportstudio nach ihrem Gatten, Ernst August von Hannover (1954–). Dass mit Scherereien zu rechnen ist, weiß sogar noch der rechtsfremdeste Friseur, sollte er auf den Gedanken verfallen, seine Haarfärbe-Dienstleistungen mit der naturbrünetten Tolle Gerhard Schröders (1944–) anzupreisen. Sollte nun aus der Gruft  auch noch Salvador Dalí unverhofft zu neuer klagefreudiger Prominenz kommen?

Aus juristischer Perspektive möchte man das Verfahren vor dem Landgericht Arnsberg ohne Aktenkenntnis nicht weiter kommentieren: Die spanische Stiftung, die unter anderem die Rechte am Werk Salvador Dalís wahrnimmt, verwahrt sich dagegen, dass der Saunaclub das postmortale Persönlichkeitsrecht ihres Stiftungszweckgebers befleckt.

In ästhetischer Hinsicht ließe sich jedoch anmerken, dass ein Bordellbetrieb, der mit der etwas schmierigen Alliteration "Pasta – Pizza – Poppen" seine kombinierten Leistungen auf dem Gebiet von Gastronomie und Unzucht anpreist, es durchaus verdient hätte, sich nach Salvador Dalí (1904–1989) zu benennen. Denn im Vergleich zu seinen surrealistischen Künstlerkollegen zeichnete Dalí sich bekanntlich durch jene Dose Kitsch und anstößige Selbstvermarktung aus, die es brauchte, um seine Werke als Kunstdruck selbst an die Wand spießigster Wohnzimmer zu bringen.

Verborgener Kunstsinn des Bundesfinanzhofs?

Ein Beleg für dieses harte ästhetische Urteil –  also für die Kitschaffinität Dalís, jedenfalls für das Bedürfnis des Künstlers, nach Maßstäben echter Surrealisten allzu gefällige Werke zu produzieren – findet sich bereits im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Mai 1955 (Az. IV 608/53 U).

Ein Schaufenstergestalter setzte sich hier dagegen zur Wehr, zur Gewerbesteuer veranlagt zu werden, weil seine Tätigkeit in der Dekoration von Warenhaus-Auslagen darin bestehe, "eine persönliche künstlerische Idee im Zuge der Werbung so zu verwirklichen, daß außer dem künstlerischen Geschmack der Werbung selbst reklamepsychologisch in den Verbraucherkreisen der Bedarf geweckt und zur Deckung dieses Bedarfes angereizt wird".

Mit der Dekoration von Schaufenstern würden auch Künstler von Weltruf wie Salvador Dalí betraut. Entsprechend solle man auch ihn von der Gewerbesteuer verschonen.

Beim BFH stieß der Schaufenstergestalter damit jedoch auf wenig Gegenliebe:  Die Schwelle von der Kunst- zur gewerblichen Arbeit sei überschritten, "wenn nach der Volksanschauung der vom Künstler hergestellte Gegenstand nicht mehr in erster Linie ein Kunstwerk, sondern ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist".

Man könnte fast glauben, der BFH hätte in die Zukunft schauen können, denn heute werden Teller, Tassen, Taschen und ähnlicher Dalí-Nippes mit einschlägigen Bildelementen breit vermarktet. Dalí höchstselbst legte 1973 unter dem Titel "Les dîners de Gala" sogar ein Kochbuch vor – inklusive eines Kapitels zu angeblichen Aphrodisiaka.

Gewiss war es 1955 nur der Höflichkeit der Finanzrichter geschuldet, den Schaufenstermann nicht darauf hinzuweisen, dass mit einem Künstler, der seine Haut derart zu Markte trug, besser nicht zu argumentieren sei.

Ungewöhnliche Wert-Schätzungen Dalís vor US-Gerichten

Aus der amerikanischen Justiz sind jedenfalls zwei Fälle überliefert, die Zweifel an Dalís kunstindustrieller Produktion wecken könnten.
Der erste der beiden Fälle nahm seinen Beginn im Frühjahr 1965. Dalí hatte die Einladung der Juristin Anna Moscowitz Kross (1891–1979) angenommen,  in einer Anstalt der Gefängnisinsel Rikers Island ein Gemälde anzufertigen. Kross, die sich in ihrer Funktion als New York City Commissioner of Correction während der sozialliberalen Epoche des amerikanischen Strafvollzugs um eine Humanisierung der Haft und die Resozialisierung der Entlassenen bemühte, kündigte den Dalí-Besuch mit großem Presserummel an, musste dann aber feststellen, dass der berühmte Künstler am vereinbarten Termin lieber mit Fieber im Bett blieb.

Statt großem Theater – Dalí hatte mit seiner Gattin, seiner leibhaftigen Raubkatze zuzüglich Pressemeute nach Rikers Island übersetzen sollen – erhielt eine der Haftanstalten zum Trost ein vom Künstler eilig ausgesuchtes, eher spärlich ausgeführtes Christus-am-Kreuz-Bildnis.

Dieses hing für einige Zeit tatsächlich in der Gefangenen-Mensa, geriet, einige Kaffeeflecke später, zeitweise ins Depot, wurde nachlässig in den Müll geworfen, aus diesem errettet und zum Schluss in einem nur dem Personal zugänglichen  Eingangsbereich aufgehängt – wo es am 1. März 2003 entwendet und durch eine lächerlich unzureichende Replik ersetzt wurde, weshalb der Diebstahl auch sogleich aufflog.

Die Verteidigung der späterhin angeklagten vier Gefängnismitarbeiter konnte erfolgreich vortragen, dass der Wert des malträtierten Christus-Bildnisses die Grenze von 75.000 Dollar nicht überschritt, sodass kein besonders schwerer Diebstahl in Betracht kam. Drei der Beschuldigten kamen dank Deal mit relativ milden Strafen davon. Der einzige der Angeklagten, der auf einem Geschworenenprozess beharrte, mochte dank der Dalí-kritischen Taxierung des Werkes einer Strafandrohung  von bis zu 15 Jahren entgehen – am Ende sprachen ihn die Geschworenen sogar frei.

American Express schwindelte mit Dalí-Drucken

Der sprichwörtliche Amerikaner trocknet seinem Hund das Fell in der Mikrowelle und verklagt hinterher den Hersteller: Der zweite Dalí-Fall liegt recht nah an den hierzulande so beliebten Berichten von einfältigen US-Prozessparteien.

Im Jahr 2007 lehnte es das U.S. District Court for the Northern District of Illinois durch Beschluss ab, sich mit einer Klage auf Schadens- und Strafschadensersatz gegen die Firma American Express zu befassen, weil die Kläger unter anderem den Streitwert, der seine Zuständigkeit begründet hätte, nicht hinreichend glaubhaft gemacht hatten.

Zudem dokumentierte ihr Anliegen jene schmerzhafte Naivität, von der Deutsche an Amerikanern bekanntlich nie genug bekommen:
1984 hatte die Firma American Express, nicht zuletzt aus werblichen Zwecken, ihren Kunden einen Kunstdruck der Dalí-Grafik "Alice in Wonderland" zum Preis von 975 Dollar zugänglich gemacht. Verbunden war dies mit der Hoffnung auf spätere Preissteigerungen, da der 80-jährige Künstler angeblich jeden der 5.000 Drucke eigenhändig signiert hatte.

Indes: Die Quelle der Drucke war nicht sauber, Dalís Anwälte verklagten die Kreditkartenfirma schon 1985 erfolgreich wegen Verletzung von Urheberrechen, unter anderem mit dem Hinweis, der betagte Surrealist sei körperlich gar nicht mehr in der Lage, derartige Mengen Kulturgut mit seiner Paraphe zu segnen. Seither war klar, dass diese Drucke bestenfalls einen Wert zwischen 5 und 20 Dollar hatten.

Knapp 20 Jahre später verfielen die zwei Kläger aus Illinois auf den Gedanken, dass die Kunstdrucke in ihrem Eigentum – gesetzt den Fall, sie wären echt – mehr als 100.000 Dollar wert seien. Entsprechend begehrten sie von der Kreditkartenfirma entschädigt zu werden. 

Soweit erkennbar scheiterten sie damit vor den Gerichten ihres Bundesstaates ebenso wie vor dem US-Bundesgericht. Dass sie von der Raubdruck-Marketingaktion und ihrem Scheitern 1984/85 rein gar nichts mitbekommen haben wollten, war denn doch ein wenig unglaubwürdig.

Dalí, Dalí und kein Ende

Aus der Masse der dalínesken Rechtsangelegenheiten sind damit nur die surrealsten benannt. Die Beispiele für den Warencharakter von Dalís Produktion ließe sich fortsetzen. Beispielsweise hatte ein Notar aus Baden-Württemberg 2009/10 derartige strafrechtliche Nöte im Zusammenhang mit Echtheitszertifikaten zu Dalí-Skulpturen, dass dem Beobachter die Frage beschleicht, wozu manche deutsche Juristen wohl ihre Mikrowelle benutzen - denn dass man sich an Dalí leicht die Finger verbrennt, sollte inzwischen doch bekannt sein.

Seriöse Rechtsgeschichte schrieb Dalí zwar auch; durch Urteil vom 15. April 2010 hatte der Europäische Gerichtshof darüber zu entscheiden, wem gewisse Urheberrechtsentgelte zufließen sollten, die sich mit Dalís Kunstprodukten in Frankreich erwirtschaften ließen, während er testamentarisch den spanischen Staat zum Gesamtvermächtnisnehmer bestimmt hatte (Az. Rs. C-518/08).
Fangen wir hier mit den seriösen Seiten Dalís aber gar nicht erst an. Schließlich soll dieser Text nicht über den Bildschirmrand fließen wie eine Dalí-Uhr über die Tischkante.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Kunst und Recht: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36477 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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