Rezension "Mordakte Monika Weimar": Genug Kuchen für den Lei­chen­sch­maus?

von Martin Rath

23.04.2017

2/2: Rechts-, Presse- und Litigationfragen von der Akte her

Besonders wertvoll für alle Freunde des Rechtsstaates sind in Chichos‘ Dokumentation die Einblicke zum Verhältnis zwischen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft.

In jener Phase zwischen Leichenfund und der Inhaftierung Monika Weimars, in der die Verdachtsmomente gegen sie für eine Weile weniger ins Gewicht zu fallen schienen, erklärte die Staatsanwaltschaft etwa öffentlich und ausdrücklich, es bestehe ein gewichtiger Verdacht gegen Reinhard Weimar.

Dies tat sie, obwohl ihr von Seiten des Ermittlungsrichters überdeutlich widersprochen wurde. In den Reihen der Kriminalpolizei, die sich ihrerseits nicht öffentlich erklären durfte – bekanntlich ist nicht sie die "Herrin des Verfahrens" – wurde diese staatsanwaltliche Pressearbeit offenbar einhellig abgelehnt, gar als öffentliche Blamage der Behörde wahrgenommen.

Authentische Erzählung statt künstlichem Narrativ

Über das Vorgehen der Polizei mag man sich jedoch gleichfalls wundern, etwa im Umgang mit den zahllosen Zeugen bzw. Verdächtigen. Wenn etwa die potentiell verdächtige Mutter mit polizeibekannt solidem Diazepam-Blutspiegel befragt wird, wäre die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands eigentlich kein so falscher Gedanke gewesen.

In solchen Aspekten, die den Zweifel anregen, ist die chronologische Dokumentation jedem Fernsehspiel- und jedem leichtfüßigen journalistischen Format überlegen. Für Leser, die daran gewöhnt sind, dass z.B. "Spiegel"-Schreiber vom 11. September 2001 aus der Ich-Perspektive berichteten, als hätten sie selbst im Flugzeug gesessen, mag sie freilich etwas anstrengend sein. Dass Cichos keinen akademischen Anspruch an die Aktendokumentation stellt, schränkt ihre Verwendbarkeit im wissenschaftlichen Kontext ein.

Lerneffekte sind wünschbar und möglich

Der Fall Weimar ist Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen geworden: Monika Weimar wurde am 8. Januar 1988 vom Landgericht (LG) Fulda wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, es folgten unter anderem:

Verwerfung der Revision durch den BGH (Beschl. v. 17.2.1989, Az. 2 StR 402/88), Verwerfung ihrer Verfassungsbeschwerde (Beschl. v.  2.5.1989), Ablehnung der Wiederaufnahme durch das LG Gießen (Beschl. v. 27.3.1989), Wiederaufnahme (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 4.12.1995, Az. 1 Ws 160/95), Freispruch (LG Gießen, Urt. v. 24.4.1997), Aufhebung des freisprechenden Urteils (BGH, Urt. v. 6.11.1998, Az.  2 StR 636/97), zweite tatgerichtliche Verurteilung (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.12.1999).

Neben den rechtsdogmatisch vielleicht immer noch bemerkenswerten Befunden aus diesem Konvolut an Entscheidungen, insbesondere zur Presseöffentlichkeit bei Gericht sowie zur Prognose vor einer Wiederaufnahme des Strafprozesses, mag der Fall Weimar nun auch zur Detailanalyse von Pressetätigkeit bzw. Litigation-PR dienen.

Zweifel an der eigenen Erkenntnisfähigkeit

Zumindest als abschreckendes Beispiel lehrreich ist auch die journalistische Parallelverurteilung, wie sie bar jeder Zurückhaltung noch von einer der angesehensten Korrespondentinnen auf diesem Gebiet geleistet wurde – u.a. in der Würdigung des Verhältnisses zwischen Monika Weimar und ihrem amerikanischen Liebhaber.

Und auch die juristische Ausbildung ist nicht unbedingt auf die Kultivierung von Zweifel und Demut gegenüber der eigenen Erkenntnisfähigkeit gerichtet, wenn sie Studenten anhand schlicht gestrickter Beispielsfälle auf die Suche nach dem einzig richtigen Ergebnis schickt.

Daran lässt sich mit dieser Dokumentation, mit Abstrichen wegen ihrer nicht auf die Rechtswissenschaft abgestimmten Form, durchaus arbeiten.

Literatur: Petra Chichos: "Mordakte Monika Weimar", München 2017, 300 Seiten, 22,95 Euro, ISBN 978-3981867800.

Autor: Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Rezension "Mordakte Monika Weimar": . In: Legal Tribune Online, 23.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22714 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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