Gemüse(recht): Gurken für Juristen

von Martin Rath

30.07.2017

2/2: Edle Gurke im Wahlbeamtenmund

Bei jenen Gurkenstücken, die u.a. Gegenstand einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Brühl waren, dürfte kaum Hilfe vonnöten gewesen sein – jedenfalls soweit es darum ging, sie sich zu Mund zu führen.

In Begleitung von "gebackenen Langustinen mit Zucchini-Jus, Paprika mit Basilikum-Tomaten", einem vorweg gereichten "Avocado-Sorbet mit Joghurt-Koriander-Limonen-Dressing, gebackener Genter Schinken und getrockneten Tomaten, Kabeljau-Carpaccio" und gefolgt von "gebackene(m) Steinbutt, mit Kräutersalat, Olivenöl und Safran, gebackene(r) Ente mit Trüffelsauce, Kartoffelpfannküchlein mit Mango-Dattel-Chutney, Lavendeleis mit Honig und Minzglasur mit Litchi- und Ananasstückchen und Nougat mit Zitronenvinaigrette" ist noch die schnödeste Gurke natürlich das schiere Gegenteil der öden Kasernen- oder Pflege-Kost.

Rechtlich relevant wurde das luxuriöse Mahl, weil sich bei ihm ein kommunaler Wahlbeamter helfen ließ – naturgemäß nicht beim Verzehr, sondern bei der Rechnung.

Anfang der 2000er Jahre war der Beamte mit Aufsichtsratsmitgliedern der örtlichen Stadtwerke zu einer gastronomisch interessanten Tour eingeladen worden. Auf dem Programm standen Vorträge mit schlauen Titeln wie: "Die Rolle des Erdgases in der Energiewirtschaft mit aktuellen Aspekten der deutschen und europäischen Energiepolitik". In der Sache ging es aber ums gute Essen.

Der kommunale Wahlbeamte wurde daher wegen Vorteilsnahme, § 331 Strafgesetzbuch, zu 80 Tagessätzen Geldstrafe bei Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.600 Euro verurteilt.

Zwei Dinge fallen auf: Begegnete man in den 1980er, 1990er Jahren kaum einem Kommunalpolitiker mit Beziehungen zur Energiewirtschaft, der nicht in den Genuss der "politischen Landschaftspflege" großer Versorgungsunternehmen gekommen war – z.B. in Gestalt kostspieliger Kurzreisen – ist es seither still darum geworden: Für die Speisefolge mussten wir hier auf ein Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 1. Oktober 2007 (Az. 51 Cs 114 Js 78/05708/06) zurückgreifen.

Es wäre fast – erstens – eine kriminologische Untersuchung wert, ob dies der schlechten Geschäftslage der großen Energieversorgungsunternehmen zu verdanken ist oder den wachen Augen der Compliance-Verantwortlichen und unserer Strafrechtspflege.

Und – zweitens – sollten Controller und interne Revisoren vielleicht das Schlagwort "Gurke" in ihren Prüfroutinen festhalten – denn je einfacher die Zutat, desto schaumschlägerischer und damit korrumpierender lassen sich die Zubereitung und Darreichung organisieren.

Gurkenrechtsregelung hoffentlich Vergangenheit

Zum entspannenden Abschluss soll noch eine rechtliche Handhabe zu Gurken erwähnt werden, die hoffentlich endgültig der Vergangenheit angehört.

Nach Auskunft von "The Telegraph" verbot die Terrorgruppe Al-Quaida in ihrem irakischen Herrschaftsgebiet den Frauen von Rechts wegen den Kauf bzw. den haushaltsmäßigen Umgang mit Salatgurken, weil es sich um eine männliche Gemüseform handelte.

Man mag zwar wenig Glauben in das Boulevardblatt "The Telegraph" setzen, doch ist Misstrauen natürlich unangebracht. Immerhin absolvierte der ehrenwerte Alexander Boris de Pfeffel Johnson, seit 2016 Außenminister des Vereinigten Königreichs, hier einen Gutteil seiner journalistischen Karriere – eine Zeitung, die solche Staatsmänner hervorbringt, wird in gurkenrechtlichen Fragen gewiss nicht unseriös sein.

Martin Rath arbeitet als freier Journalist und Lektor in Ohligs bei Düsseldorf.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Gemüse(recht): . In: Legal Tribune Online, 30.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23697 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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