Querulanten mit Kabelbinder: Neue deut­sche Reichs­bürger in Fes­tungs­haft

von Martin Rath

23.12.2012

2/2 "Reichsregierungen" – nicht mehr wert als eine "wegwischende Handbewegung"?

Die Verfassungsschutzämter halten die "Reichsregierungen" in ihrem pseudo-juristischen Paralleluniversum offenbar für überwiegend harmlos – fast möchte man vermuten, die "Schlapphüte" bräuchten solche obskuren Gruppen, um ihren Agentennachwuchs für größere Ziele am rechten Rand auszubilden. Zu Ausbildungszwecken dienen die "Reichsregierungen" jedenfalls im juristischen Studium, lassen sich doch anhand der privat produzierten Ausweispapiere die einschlägigen Straftatbestände durchprüfen.

Eine ernsthafte Infragestellung ihrer Legitimität wollen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Länder in der herzigen Wühlarbeit der "Reichsregierungen" nicht sehen. Die sächsische Wissenschaftsministerin und Völkerrechtsprofessorin Sabine von Schorlemer findet laut einem Bericht in der tageszeitung nicht mehr als eine "wegwischende Handbewegung".

Bedenkt man, dass manche "Reichsregierung" beispielsweise sämtliche Staatsakte der Bundesregierung für null und nichtig erklärt und die Wahl der Bundeskanzlerin Angela Merkel für illegitim, wird fraglich, ob der deutsche Staat für seine selbsterklärten Regierungen nicht eine härtere Antwort formulieren sollte als eine "wegwischende Handbewegung".

Denn die Wühlarbeit an der Legitimität der Bundesrepublik ist längst in Medien angekommen, die auch in der "Mitte der Gesellschaft" einigen Anklang finden. So führt vor allem das Satiremagazin Titanic die erschreckende programmatische Aussage in ihrem Impressum: "Die endgültige Teilung Deutschlands – Das ist unser Auftrag". Das staatsfeindliche Ziel wird offenbar auch vom politischen Arm der Zeitschrift, der Partei "Die Partei" verfolgt.

Vorschlag: Inhaftierung gemäß Reichsstrafgesetzbuch

Nachdem der Deutsche Bundestag sich dieser Tage endlich dazu durchgerungen hat, die seit über 40 Jahren weitgehend straffreie Unzucht mit Tieren wieder zu sanktionieren, keimt immerhin die Hoffnung, dass er sich alsbald auch der Staatsschutzdelikte annehmen könnte, die weit offenkundigere Strafbarkeitslücken aufweisen als das Tierschutzrecht.

Denn während die Existenz so genannter Tierbordelle, die bei der Wiedereinführung der Sodomie-Sanktion als Begründung herhalten mussten, sehr in Zweifel gezogen wird, steht die Wühlarbeit der "Reichsregierungen" im Licht der Öffentlichkeit, wird von ihren Protagonisten nicht bestritten und führte – im Opfergang des mit Kabelbindern gefesselten sächsischen Gerichtsvollziehers – inzwischen sogar zur Gewalt gegen eine Person.

Eine Sprache, die von den Vertretern der "Reichsregierungen" wohl verstanden wird, fände der Bundesgesetzgeber in älteren Vorschriften des Reichsstrafgesetzbuches, dessen § 80 Abs. 1 zwischen dem 2. Mai 1934 und dem 20. September 1945 lautete: "Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt das Reichsgebiet ganz oder teilweise einem fremden Staat einzuverleiben oder ein zum Reich gehöriges Gebiet vom Reiche loszureißen, wird mit dem Tode bestraft." Daran könnte sich der Bundesgesetzgeber zumindest grob orientieren.

Und wo überall sonst noch gewühlt wird

Um zum Schluss aber noch einmal ernst zu werden: In der Stadt Köln existieren bewaffnete Truppen unter der Bezeichnung "Rote Funken". Dabei handelt es sich um eine Art  bewaffneter Haufen, dessen Existenz nur unter der Prämisse sinnvoll erscheint, dass die Angehörigen dieser Truppe an die Fortexistenz des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation glauben. Denn weder das so genannte "Deutsche Reich" noch die so genannte "Bundesrepublik Deutschland" erkennen eine solche Streitmacht an. Rote Funken sind die Streitmacht der freien Reichsstadt Cöln. Anders ergibt eine derartige Truppe gar keinen Sinn.

Bald marschieren sie wieder durch die Straßen und jedenfalls in der "preußischen Rheinprovinz" (aka Nordrhein-Westfalen) brechen Chaos und Unzucht aus. Auch dagegen könnte die Staatsgewalt de lege ferenda einschreiten: Vor dem inneren Auge sitzen die selbsternannte Reichsregierung und uniformierte Karnevalssoldaten in Festungshaft.

Nun gut. Es weihnachtet. Man wird sich vom Bundestag doch noch etwas wünschen dürfen.

Literatur:
In "Napoleons Staatsgedanken auf St. Helena" (Berlin 2006, Duncker & Humblot) schwärmt der anerkannte bayerische Staatsrechtslehrer Walter Leisner so schulmädchenhaft vom korsisch-französischen Potentaten, dass jeder satirisch-schräge wie querulatorisch-irre Staatsgedanke dagegen harmlos erscheint. Grandiose Lektüre. Es gibt Schnittmengen zwischen Märchen und Staatsrecht, über die man wohl nicht lachen soll.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Querulanten mit Kabelbinder: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7857 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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