Außerirdische: Was E.T. von Rechts wegen zu erwarten hat

von Martin Rath

19.11.2017

Während die deutsche Justiz gegenüber Außerirdischen unfreundliche Ignoranz an den Tag legt, finden sich bei ausländischen Juristen andere Auffassungen zu Aliens – zwischen Naturrechtsdiskurs und Quarantänerecht.

Es sollte kein allzu eigenwilliger Humor vonnöten sein, um die Komik darin zu sehen, eine junge Jura-Studentin bei der Lektüre von Ted Chiangs Short Story "Die Geschichte deines Lebens" zu beobachten.
Inzwischen wurde diese Geschichte, die vordergründig vom ersten Kontakt zwischen Außerirdischen und zwei menschlichen Linguisten handelt, unter dem Titel "Arrival" verfilmt.

Wie es sich für Pointen gehört, wird am Ende verraten, warum sich jedenfalls die Lektüre dieser Science-Fiction-Geschichte von einem E.T.-Erstkontakt selbst für Jura-Studenten lohnen könnte, die Aliens für Unfug halten.

Das LG Berlin fand E.T.-Vergleiche gar nicht witzig

Eine bodenständig unfreundliche Haltung gegenüber Aliens ließ namentlich das Landgericht (LG) Berlin in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 (Az. 27 O 1050/09) erkennen.

In der Sache ging es um einen Unterlassungsanspruch des Berliner Rechtsanwalts Johannes Eisenberg (1955–) gegen den Springer-Verlag. Die Bild-Zeitung hatte Eisenberg in E.T.-Nähe gerückt.

Indem es den Schutz der Bild-Leute durch das Grundrecht der Kunstfreiheit, Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ausschloss, steigerte sich das LG Berlin regelrecht in Alien-unfreundliche Positionen:

"Zwar handelt es sich bei der Äußerung. 'Sind die Aliens schon unter uns?', um Satire, denn bei dem Antragsteller handelt es sich ersichtlich nicht um einen Außerirdischen. Tatsächlich steckt in der Äußerung das Werturteil, das Vorgehen des Antragstellers als Rechtsanwalt sei auffällig – eben eines Aliens würdig –, weil er bei seinem Kampf gegen investigative Medien wie von einem anderen Stern argumentiere."

Für wie beleidigend es das LG Berlin hielt, mit einem E.T. verglichen zu werden, ließ es klar erkennen: Anwalt Eisenberg bewege "sich – anders als Karl Lagerfeld, Claudia Roth und Lorielle London, die sich möglicherweise die Frage, ob die Aliens schon unter uns sind, gefallen lassen müssen – nicht derart in der Öffentlichkeit, dass allein schon seine Person öffentliches Interesse erweckt".

Reines Ignorieren ist auch hM

Niemand macht sich wohl gerne die Mühe eines Lichtjahre durchquerenden Anflugs auf den Planeten Erde, nur um vor dem LG Berlin mit Karl Lagerfeld und Claudia Roth verglichen zu werden. Aber es kommt noch schlimmer.

Mit Urteil vom 13. Mai 2014 befand das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main über den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch einer amerikanischen Stiftung gegen einen deutschen Verein wegen der Veröffentlichung von Auszügen des Buches "A Course in Miracles" – es handelte sich hierbei um den deutschen Ausläufer einer in den USA langjährig geführten Copyright-Streitigkeit.

Der beklagte Verein räumte zwar schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Stiftung ein, argumentierte aber, diese seien unerheblich, weil die Klägerin keine Rechte an dem Werk habe begründen können: Der Text sei nicht etwa von der amerikanischen Psychologin Helen Schucman (1909–1981) verfasst, sondern ihr wortwörtlich von Jesus diktiert worden, sodass dieser als Urheber in Betracht zu ziehen sei – es habe gegen den Verhandlungsgrundsatz verstoßen "wenn sich das Landgericht über den als unstreitig geltenden Vortrag der Parteien, Jesus von Nazareth habe den Kurs Wort für Wort erdacht, hinweggesetzt habe".

Dies wies das OLG von sich, indem es sich der herrschenden Auffassung anschloss, dass "jenseitige Inspirationen rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzurechnen" seien.
"Anderenfalls müssten derartige Schöpfungen", begründete das Gericht, "urheberrechtlich schutzlos bleiben, weil 'außerirdische Wesen' nicht Rechtssubjekte sein können".

Und wenn sie doch kämen?

Das Frankfurter Urteil nimmt nicht wunder, unterfällt das Außerirdische doch schlechthin nicht dem Realitätsprinzip deutscher Juristen. Zu denken ist hier beispielsweise auch an den berühmten Siriusfall (BGH, Urt. v. 5.7.1983, Az. 1 StR 168/83).

Hier führte die langjährige Behauptung des Angeklagten, er sei ein Bewohner des Sterns Sirius und gehöre einer dem Menschen philosophisch überlegenen Rasse an, bekanntlich auch nicht dazu, ihn einem astrobiologischen Gutachterteam zuzuführen.

So bodenständig und insoweit grundsympathisch dieses Realitätsprinzip deutscher Juristen ist, raubt es ihnen doch die Chance, sich dem Gegebenen aus der spekulativen Perspektive des Möglichen zu nähern.

Dies kann, eher weniger fruchtbar, auf dem Gebiet des positiven Rechts geschehen. Durchaus sinnvoll scheint aber die Diskussion um ein Recht, das auch für Außerirdische gelten könnte.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Außerirdische: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25589 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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