Kaum der Uni entwachsen führte Benjamin Ferencz die Anklage im weltgrößten Kriegsverbrecher-Prozess. Später war er maßgeblich an der Gründung des IStGH beteiligt. Ein Dokumentarfilm zeigt sein bewegtes Leben und sein unsterbliches Werk.
Als Benjamin Ferencz geboren wurde, warteten seine Eltern einen Monat bis zu seiner Beschneidung. Sein Vater war Schumacher, seine Mutter Haushälterin in Rumänien, und die Kosten für die Prozedur wollten sie nicht erübrigen, solange unklar war, ob der zwergenhaft kleinwüchsige Junge mit dem großen Kopf überleben würde. "Ich habe das als jüdischen Optimismus gedeutet", sagt der heute 95 Jahre alte Benjamin lachend: "Schneid kein Stück ab, bevor du nicht weißt, wie groß das Ganze wird."
Wie groß er tatsächlich werden würde, konnte damals allerdings niemand ahnen. Seine Familie emigrierte zehn Monate nach seiner Geburt in die USA, um der wachsenden Diskriminierung von Juden in Transsilvanien zu entfliehen. Die neue Heimat hieß Hell's Kitchen, eines von New Yorks Armenvierteln, regiert von Straßengangs und in den 1920-ern Weltführer bei den Mordraten pro Einwohner. Trotz der Widrigkeiten ging Benjamin zur Schule, und von dort, dank einer Lehrerin, die seine Begabung früh erkannte, auf die High School. Ihre Hilfe überraschte ihn in doppelter Hinsicht: "I never considered myself a gifted boy – I never got any gifts".
Dies erzählt er im Dokumentarfilm "A man can make a difference", der Ferencz in oft heiteren, oft ergreifenden Szenen an die Schauplätze seines Lebens zurückführt. Die Mittel der Produktion sind überschaubar: historisches Bildmaterial und Besuche einstiger Wirkstätten illustrieren das Geschehene. Doch Ferencz' Geschichte ist so einzigartig, und der längst im Greisenalter angekommene Mann schildert sie in zahlreichen Monologen so lebhaft und charmant, dass in keiner der 90 Spielminuten Langeweile aufkommt.
Aus dem Ghetto über die Armee nach Nürnberg
In einer eher kurzen Passage geht der Film auf Ferencz' steile akademische Karriere ein: Er wird, auch dies zu seinem Erstaunen, in Harvard angenommen und studiert dort Jura. Doch dann folgt der zweite Weltkrieg, der sein Leben mehr als jedes andere Ereignis prägen sollte: Ferencz wird eingezogen und dient als Flak-Schütze, bevor er 1945, kurz vor Kriegsende, von seinem General den Auftrag erhält, die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen vorzubereiten. In den Nürnberger Prozessen, die aus diesem Auftrag erwachsen, führt Ferencz zum Teil selbst die Anklage. Im Alter von gerade einmal 27 Jahren hat er es zur zentralen Figur im größten Kriegsverbrecherprozess der Menschheit gebracht.
Zu seiner Jugend kommt sein beinahe kindlicher Körperbau: Ein Foto des Prozesses, abgedruckt in einer Tageszeitung, zeigt Ferencz hinter dem Rednerpult und zwei Männer zu seinen Seiten, dazu der Text: "Ankläger Ferencz (sitzend) und die Anwälte der Verteidigung". Dabei sitzt er gar nicht, sondern steht, was auf dem Bild jedoch nicht zu erkennen und durch den extremen Größenunterschied auch kaum zu vermuten ist. "Das hat mich damals ziemlich amüsiert," sagt Ferencz, und auch die Angeklagten hätten über seine Statur gelacht. "Aber ich glaube kaum, dass sie lachend gestorben sind."
Constantin Baron van Lijnden, Dokumentarfilm "A man can make a difference": . In: Legal Tribune Online, 13.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17536 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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