Ob "Schweini"-Wurst, verschütteter McDonalds-Kaffee oder die Koteletten von Elvis: Nichts ist absurd genug, als dass die Gerichte dieser Welt sich nicht damit beschäftigen müssen. Die Anlässe für kuriose Klagen hat Axel Fröhlich jetzt in einem Buch zusammengetragen. Constantin Körner erklärte er, warum es in Mississippi keine Ärzte mehr gibt und wie Mr. Jack Ass seinen guten Namen verteidigt.
LTO: Herr Fröhlich, in Ihrem Buch "75 Millionen $ für zu heißen Kaffee" haben Sie die verrücktesten Klagen aus aller Welt gesammelt, die den Leser zum Schmunzeln und Kopfschütteln gleichermaßen anregen. Wie ist die Idee für das Buch entstanden?
Fröhlich: Ein sehr guter Freund von mir, dessen Name ich nicht nennen möchte, zieht ständig wegen Kleinigkeiten vor Gericht: defektes Auto, Mietminderung oder blöder Chef. Holger ist wirklich ein elender Prozesshansel, der sich allen Ernstes brüstet, sich eine Rechtsschutzversicherung "so als Hobby" zu leisten.
Diese Erfahrung hat mein Interesse geweckt und ich begann nachzuforschen, weswegen die Leute sonst noch klagen. Gleichzeitig erschien beim Knaur Verlag unser hochrechtswissenschaftliches "Besseres Gesetzbuch", das ich mit Alexandra Reinwarth und Oliver Kuhn verfasst habe. Insofern war ich laienhaft in das Thema Juristerei eingearbeitet und der Riva-Verlag fand mein Exposé tragfähig genug für ein ganzes Buch.
Mr. Jack Ass zieht vor Gericht
LTO: Das Buch enthält allerlei skurrile Fälle, mit denen sich Gerichte tatsächlich beschäftigen mussten, die aber alles andere als alltäglich sind. Dabei geht es um Hühner, die von Heißluftballons erschreckt werden, Grillwürste, die auf den Namen "Schweini"-Wurst hören oder brühend heißen Kaffee in einem Fastfood-Restaurant. Wie haben Sie die Klagen recherchiert?
Fröhlich: Auf recht gängige Art: über Printmedien und Quellen im Internet. Wichtig war mir vor allem, dass alle Fälle tatsächlich existieren – und der Leser möglichst herausfinden kann, wie die Klagen ausgegangen sind. Sei es, dass der Streit außergerichtlich beigelegt wurde, per Klageabweisung oder mit einem Urteil zu Ende ging, an dessen Ende sogar ein hübsches Strafmaß stand. Das war weiß Gott nicht einfach. Wie viele andere Menschen auch finde ich offene Enden aber unbefriedigend.
Verlässliche Quellen, wie zum Beispiel Pressestellen der Gerichte und die Recherche nach Aktenzeichen, haben mir dabei sehr weitergeholfen. Klar, manche Namen habe ich zum Schutz der Privatsphäre verschandelt. Im Kapitel Promi-Klagen sind die Namen der berühmten Prozessierer hingegen zu lesen. Genauso wie im Fall von Mr. Jack Ass, der MTV verklagte, weil der Sender seinen "guten Namen", den er sich selbst amtlich machte, mit dem gleichnamigen Format in den Schmutz gezogen habe.
Nazis in Neverland
LTO: Die Auswahl an kuriosen Fällen in Ihrem Buch ist groß: Welche ist Ihre Lieblingsklage und warum?
Fröhlich: Ganz prächtig ist der Fall oder die Flut von Fällen des Jeffrey R., der in South Carolina im Gefängnis sitzt. Er hat es mir besonders angetan. Jeffrey wollte gerichtlich gegen Elvis Presley vorgehen. Mit der Begründung, der King of Rock'n'Roll habe ihm seine Koteletten gestohlen, ihm verdorbenes Geflügel verkauft und außerdem stecke Elvis unter einer Decke mit Osama Bin Laden.
Er behauptete auch, der Sänger Vanilla Ica und ein Rap-Produzent hätten ihn vom Balkon eines Hotelzimmers hängen lassen. Außerdem seien auf Michael Jacksons Neverland Ranch Hitlers Truppen untergebracht.
Gegen den ist mein Freund Holger friedfertig. Im Vergleich zu Jeffrey R. meine ich, aber auch im Vergleich zu Hitler.
LTO: Anders als der Titel es vermuten lässt, finden sich nicht nur Klagen aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis in Ihrem Buch, sondern auch viele Fälle aus Deutschland. Welche landesspezifischen Unterschiede gibt es, wenn Deutscher und Ami vor Gericht ziehen?
Fröhlich: Deutsche klagen vor allem dann, wenn ihnen etwas wirklich stinkt und sie Gerechtigkeit für sich einfordern. In den USA werden Klagen hingegen oft erhoben um möglichst viel Geld zu verdienen. Wer hat tiefe Taschen? Gegen wen lohnt sich eine Klage? Anwälte schalten regelrecht Anzeigen, um "Opfer" von zahlungskräftigen Beklagten zu finden.
Keine Ärzte mehr in Mississippi
Ein Beispiel: In Teilen des Bundesstaates Mississippi gibt es wegen der hohen Schadensersatzsummen kaum noch Ärzte Wegen der bekannt unterschichtsfreundlichen Jurys trauen sie sich dort schon nicht mehr zu praktizieren. In Deutschland geht es bei Zivilklagen eher um den spießigen Gartenzwerg von nebenan, der einem mit dem Anwalt kommt.
LTO: Sie sind selbst kein Jurist, sondern Werbetexter. Mal Hand aufs Herz: Welche Meinung haben Sie denn von Juristen?
Fröhlich: Das ist einfach. Wenn ich mir eine moralisch-ethische Frage stelle, zum Beispiel danach, welcher dieser beiden Berufe eher einer Wahrheitsfindung dienlich ist oder zumindest sein sollte, schneiden Juristen doch um Längen besser ab als Werbetexter. Weiterer Pluspunkt: Anwälte tun wenigstens nicht so, als wären sie irgendwie witzig, wenn sie die Leute aufs Glatteis führen.
Insofern sind Juristen gar keine so schlimmen Finger, wie gemeinhin angenommen. Eventuell will ich mit meinen Büchern ja versuchen, den Leuten quasi im Gegenzug für 8,99 Euro ein paar amüsante Momente zu schenken. Vermutlich werde ich so oder so in der Hölle landen. Sollte ich dort, mitten in den schlimmsten Qualen des Fegefeuers, auf ein paar Vertreter Ihres Standes treffen, können wir ja gerne zusammen klagen. Bis nach Karlsruhe.
LTO: Herr Fröhlich, ich danke Ihnen für das unterhaltsame Gespräch
Constantin Körner, Die verrücktesten Klagen der Welt: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6091 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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