Affären als politisches Kampfmittel: Sch­mut­zige Geheim­nisse aus dem weißen Haus

von Martin Rath

03.09.2017

2/2: Soll Trump denn formal so gar nicht Präsident sein?

Auch wenn Bill Clinton der öffentlichen Auseinandersetzung um präsidiale Sperma-Flecke auf Praktikantinnen-Kleidung nicht entkam, gingen Entblößungen und Entblödungen doch fast gemächlich vonstatten.

Seither haben sich dank Online-Kommunikation Schlagzahl und Härte in der öffentlichen Auseinandersetzung um Privates derart erhöht, dass das politische Kerngeschäft darüber fast gänzlich die Aufmerksamkeit – jedenfalls im anstrengenden Detail – verlor. Den grotesken Höhepunkt macht ein zum Präsidenten avancierter Immobilienbankrotteur und TV-Unterhalter, der sich für die formalen, juristischen Details offenbar auch gar nicht mehr zu interessieren braucht.

In seinem dieser Tage veröffentlichen Buch "Trumped Up: How Criminalization of Political Differences Endangers Democracy" konzentriert sich Alan M. Dershowitz allerdings nicht auf die bis zur Erschöpfung des Publikums diskutierte öffentliche Performanz des Donald J. Trump (1947–).

Vielmehr moniert er, dass Trump, nachdem Sonderermittler Robert Mueller (1944–) seinen potenziell unbegrenzten Untersuchungsauftrag erhalten hatte, zum "Weißen Wal" geworden sei. Dershowitz nennt die laufenden Ermittlungen wenig schmeichelhaft – auch für ihr Objekt – eine "Darmspiegelung des Weißen Hauses" und warnt – selbst bekennender Unterstützer Barack Obamas und Hillary Clintons – davor, dass hiermit ein weiterer Präzedenzfall dafür geschaffen werde, sich des politischen Gegners nicht auf der Sachebene anzunehmen, sondern ihn durch eine formal entgrenzte Kriminalisierung beseitigen zu wollen – im blinden Eifer des Kapitän Ahab aus "Moby Dick".

Bürgerrechte auch für Pomuchelsköpfe

Es nimmt sich komisch aus, aber Dershowitz sorgt sich um die Bürgerrechte von Donald Trump. Wie fremd ist uns doch diese Sorge! Merkwürdig ist sie aus deutscher Sicht, käme hierzulande beispielsweise der Herausgeberkreis des "Grundrechte-Reports" vermutlich kaum jemals auf den Gedanken, zu den ersten zu zählen, die schon aus Prinzip die Redefreiheit eines Björn Höcke oder Alexander Gauland verteidigen.

Der in Sachen Grundrechtsschutz hartnäckige Dershowitz sorgt sich darum, dass renom-mierte Bürgerrechtsvereinigungen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) nun ebenfalls einseitig Partei nehmen und nicht mehr für die verfassungsmäßigen Rechte noch des letzten Narren in die Bresche springen.

Der Verlust an juristischem Formbewusstsein zeigt sich für Dershowitz aktuell beispiels-weise darin, dass nicht nur Trump zelotenhafe Freunde finde, die an ihrem Helden nie einen Hauch von Kritik zuließen, sondern auch seine Gegner in blinden Eifer verfielen. Kraft seiner exekutiven Eigenschaft könne der Präsident etwa durchaus nachrangige FBI-Beamte anweisen, Ermittlungen aufzunehmen oder einzustellen. Die Ausübung dieser Kompetenz bereits als Impeachment-würdiges Verbrechen anzugreifen, die z.B. erst bei Vernichtung von Beweismitteln vorläge, verkenne die Verfassung.

Streitbarer Liberalismus in Person

Sollte der ebenso streitbare wie rechtsgelehrte Anwalt Dershowitz hier und in einigen weiteren Details Recht behalten, könnte die auch von Teilen der deutschen Öffentlichkeit herbeigesehnte Anklage gegen den amtierenden US-Präsidenten ein anderes Ende nehmen als erwartet.

Jedenfalls steht zu befürchten, dass sich – sollte die "Koloskopie" (Dershowitz) in den Eingeweiden von Trumps Geschäftsbeziehungen dazu motivieren – der demokratische Prozess noch stärker als bisher von den politischen Entscheidungsfragen auf die – dann ausermittelbare – Geschäfts- und Privatpersönlichkeit aktueller, aber auch künftiger Amtsinhaber verlagert.

Nebenbei finden sich in Dershowitz' Werken immer wieder auch äußerst erfrischende Einsichten in die historische Kontingenz; z.B. müsste, gemessen am zotig-aggressiven Humor der US-Verfassungsväter, Pornografie eigentlich vom Kernbereich der Äußerungsfreiheit gedeckt sein – ein hübscher Ansatz, neokonservative Tugend-Prediger ins Schleudern zu bringen. Vergleichbar historisches Bewusstsein fände man gern auch öfter unter deutschen Juristen.

Vom gefestigten Standpunkt für Freiheitsrechte einzutreten, so abscheulich ihre Nutzer sein mögen, lässt sich anhand der Biografie und der Schriften von Alan Dershowitz für den Parteibetrieb der deutschen Öffentlichkeit noch einiges abschauen. Wir haben hier doch sehr viel weniger Substanz, von der zu zehren wäre.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Solingen-Ohligs.

Literatur: Alan M. Dershowitz: "Sexual McCarthyism. Clinton, Starr and the Emerging Constitutional Crisis", New York 1998, ders.: "Trumped Up: How Criminalization of Political Differences Endangers Democracy", New York/Nashville 2017

Zitiervorschlag

Martin Rath, Affären als politisches Kampfmittel: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24275 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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