Affären als politisches Kampfmittel: Sch­mut­zige Geheim­nisse aus dem weißen Haus

von Martin Rath

03.09.2017

Während der sogenannten Lewinsky-Affäre kritisierte der amerikanische Anwalt und Professor Alan Dershowitz einen "sexuellen McCarthyismus". In Sachen Trump mahnt er nun zur Zurückhaltung: Zwei Bücher zum Verhältnis von Recht und Demokratie.

Ein juristisch profunder Kommentar zur Affäre von Richard Nixon (1913–1994) trug ihm bereits Anfang der 1970er Jahre die Aufmerksamkeit eines US-Präsidenten ein, der dann seinen schlechten Gewohnheiten folgte und eine Akte über den noch jungen Rechtsgelehrten anlegen ließ: Seit bald fünf Jahrzehnten kommentiert der Anwalt und inzwischen emeritierte Harvard-Professor Alan M. Dershowitz (1938–) das politische Geschäft seines Landes.

Die Tätigkeit als Strafverteidiger in aufsehenerregenden Fällen wie der Strafsache O. J. Simpson trugen über die Jahrzehnte zu seiner kaum überbietbaren öffentlichen Präsenz bei – wobei Dershowitz dem Publikum gelegentlich das Vergnügen bereitet, seine Rolle in den Medien satirisch zu unterlaufen. In deutscher Sprache liegen unter anderem seine Autobiografie, eine Auseinandersetzung mit biblischen Rechtsproblemen sowie zwei von echten Rechtsfragen getragene Kriminalromane vor.

Sogar die letztgenannten bieten – neben einer realistischen Darstellung des positiven Rechts – eine Auseinandersetzung mit juristischen Aporien, den ethischen und rechtslogischen Ausweglosigkeiten, in denen Dershowitz seine nach dem Leben gezeichneten Figuren nicht selten Orientierung in der talmudischen Tradition suchen lässt.

Oft äußert sich Dershowitz nicht, wie es die bequeme Moral erwarten lässt, so beispiels-weise in der seit 2001 virulenten Diskussion um die Zulässigkeit der Folter, was ihm neben berechtigter Kritik auch vorschnelles Naserümpfen einträgt. Ein interessanter Kopf, immerhin. Zwei seiner Werke zur Verrechtlichung demokratischer Prozesse sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Obsession für Sexualität untergräbt die Verfassung

Unter dem Titel "Sexual McCarthyism. Clinton, Starr and the Emerging Constitutional Crisis" beschrieb Dershowitz 1998 die Kontroverse um die Amtstauglichkeit von US-Präsident Bill Clinton (1946–, im Amt 1993–2001). Ausgangspunkt der Affäre waren Vorwürfe, Clinton habe in seiner Zeit als Amtsanwalt und Gouverneur von Arkansas in den 1970er Jahren seine staatlichen Funktionen zur Einflussnahme auf Immobiliengeschäfte genutzt, in die er beziehungsweise seine Frau involviert waren. Diese sogenannte Whitewater-Affäre führte 1994 zur Einsetzung des Bundes-Sonderermittlers Kenneth Starr (1946–), eines bis dahin parteiübergreifend gut angesehenen Juristen, dessen Ermittlungsinteressen freilich peu à peu von der Immobilien- auf intime Affären abglitten.

Dershowitz erweitert, um Starrs Vorgehen einzuordnen, das Bild um die Funktion, die das Wissen um sexuelle Vorlieben und sogenannte Verfehlungen in Politik und Rechtssystem der USA bis dahin hatte: Namentlich J. Edgar Hoover (1895–1972), der von 1935 bis zu seinem Tod als erster Direktor des FBI tätig war, nutzte ein aus klandestinen Ermittlungen gewonnenes Wissen um das Sexualverhalten von etablierten Politikern wie außerparlamentarischen Oppositionellen zur Erpressung und zu Operationen, die im DDR-Sprachgebrauch "Zersetzung des politischen Gegners" hießen. Der Bürgerrechtler Martin Luther King (1929–1968) sollte beispielsweise unter dem Vorwurf außerehelicher Affären mit – horribile dictu – "weißen" Frauen zum Rückzug aus der Öffentlichkeit, besser noch zum Selbstmord gebracht werden.

Auch Joseph McCarthy (1908–1957) bediente sich in seiner Kampagne gegen mutmaßli-che kommunistische Verschwörer des Mittels, Zeugen, etwa aus Künstlerkreisen, mit Kenntnissen zu sexuellen Vorlieben zu Aussagen zu bewegen.

Abschied vom Sex-Skandalisieren hält nicht lange vor

Dank der Entkriminalisierung von Ehen zwischen Menschen unterschiedlicher "Rassen" durch Urteil des U.S. Supreme Courts, 1967, und dem seit den späten 1980er Jahren zurückgehenden Beschämungspotenzial homosexueller Lebensführung hätte hinsichtlich der Privatsphäre von Personen des öffentlichen Lebens einige Entspannung eintreten können.

Die Chance, im demokratischen Prozess die öffentlichen Verdienste und Versäumnisse sowie die mehr oder weniger delikaten privaten Vorlieben getrennt zu halten, fand ihr Ende in der Untersuchung von Sonderermittler Starr, die von Clintons möglicherweise rechtswidrigen Immobiliengeschäften abglitt auf die – dem Publikum deutlich besser vermittelbaren – außerehelichen Sexualkontakte des Präsidenten.
Dershowitz zog 1998, noch bevor die Anklage gegen Clinton vor dem US-Kongress tatsächlich erhoben werden und schließlich scheitern sollte, zwei Lehren. Erstens warnte er davor, die in der US-Verfassung ausbalancierten Machtverhältnisse dadurch aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem – namentlich durch Sonderermittler mit weitgehenden Rechten – die Kriminalisierung des politischen Gegners betrieben werde.

Zweitens monierte Dershowitz, dass mit dem Starr-Report ein zwar moralisch anstößiges, jedoch legales Intimverhalten – ein Feld, auf dem jeder sich schnell zur Lüge verführt sehen könnte – in den politischen Machtkampf zurückgebracht werde, kaum dass man in den 1970er Jahren die Chance gehabt hatte, sich von dieser Politisches und Privates vermengenden Skandalisierungspraxis jedenfalls zu distanzieren.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Affären als politisches Kampfmittel: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24275 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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