Wenn sich am Donnerstag die Justizminister der Länder zu ihrer Herbstkonferenz treffen, wird es ein weiteres Mal um die unzureichende digitale und personelle Ausstattung in der Justiz gehen – und um hohe Forderungen an den Bund.
Bei der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister, die am Donnerstag in der Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund in Berlin stattfindet, heißt es mal wieder: 16 gegen einen, d.h. die Länder gegen Marco Buschmann.
Denn die Verärgerung aller 16 Bundesländer ist groß: Seit Monaten appellieren sie an den Bund und Bundesjustizminister Marco Buschmann im Besonderen, endlich das Versprechen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag in die Tat umzusetzen. Darin heißt es: "Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz". Die Länder, aber auch Vertreter der Richterschaft verstehen darunter, dass der Bund wesentlich mehr Mittel zur Verfügung stellt als in der vergangenen Legislatur.
In dieser hatte die große Koalition den sogenannten Pakt für den Rechtsstaat beschlossen. Der Bund hatte damals 220 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Stellen bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten zu schaffen. Jetzt kommt aber eben auch noch der Digitalpakt hinzu. Daher sagte z.B. NRW-Justizminister Benjamin Limbach seinerzeit im LTO-Interview: "Über das, was die Länder vom Bund erwarten, sind wir uns komplett einig. Und zwar 16:0. Der Bund muss deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen, damit wir Ausstattung, Entwicklung und IT-Personal finanzieren können."
Marco Buschmann indes hatte Limbach und seine 15 Kolleginnen und Kollegen Mitte September abblitzen lassen. Zur Verfügung stellen will er für einen "Pakt für den digitalen Rechtsstaat" im kommenden Jahr 50 Millionen Euro, in den Jahren danach soll das Vorhaben ein Volumen von insgesamt bis zu 200 Millionen Euro erreichen. Gemeinsam mit den Ländern wolle man Digitalisierungsprojekte in der Justiz verwirklichen und damit auch die Länder entlasten, so Buschmann. Sein Angebot kritisierten die Länder als völlig unzureichend. "Die Summe, die über mehrere Jahre verteilt werden soll, ist keineswegs angemessen. Der gewählte Weg über Projektfinanzierungen lässt offen, ob dies überhaupt zu einer Entlastung der Länder führen wird", so Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) seinerzeit.
Länder vom Bund enttäuscht: "Noch nichts auf den Weg gebracht"
Am kommenden Donnerstag nun werden die 16 Justizministerinnen und – minister ihren ganzen Frust erneut gegenüber dem Bund und speziell gegenüber dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) zum Ausdruck bringen. In einer Beschlussvorlage, die LTO vorliegt und die von Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern ausgearbeitet wurde, heißt es:
"Die Justizministerinnen und Justizminister stellen fest, dass trotz mehrfacher Beschlussfassung der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister sowie der Konferenz der Finanzministerinnen und Finanzminister und den Forderungen aus Justiz und Anwaltschaft bislang weder die Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat noch ein zusätzlicher Digitalpakt durch das BMJ auf den Weg gebracht wurden."
Doch damit nicht genug der Enttäuschung aus Ländersicht: "Die Justizministerinnen und Justizminister stellen zudem fest, dass auch durch gesetzliche Initiativen keine auch nur annähernd vergleichbare Entlastung der Justizhaushalte der Länder geschaffen wurde oder in Aussicht steht."
In der Beschlussvorlage, die am Donnerstag wohl mit breiter Mehrheit verabschiedet wird, erläutern die Länder noch einmal, warum sie auf weitere Mittel des Bundes angewiesen seien. Ihr Hauptargument: Auch wenn die Justiz Ländersache sei, müssten die Länder ja fortwährend Bundesgesetze umsetzen: "Die Justiz ist vor Herausforderungen durch Bundesgesetzgebung gestellt, die eine Beteiligung des Bundes an den dadurch verursachten Kosten und damit auch bei der Finanzierung zusätzlicher Stellen unverzichtbar machen." Außerdem: Sie selbst würden bereits erhebliche Summen in die Länderjustizen investieren, "um den Zugang der Bürgerinnen und Bürgern zum Recht zu gewährleisten und den Rechtsstaat den wachsenden Herausforderungen anzupassen", wie es in dem Papier heißt.
220 Millionen für Personal, 350 Millionen jährlich für Digitales
Um an den Gerichten und Staatsanwaltschaften daher für eine angemessene personelle Ausstattung zu sorgen, fordern die Länder hinsichtlich des Rechtsstaatspaktes "eine inflationsbereinigte, mindestens aber die Tarifsteigerungen berücksichtigende" Fortführung des Volumens aus der letzten Legislatur auch für die Jahre 2023-2027, also 220 Millionen Euro. Aufgeteilt werden soll die Summe in Festbeträge in drei Tranchen. Die erste Tranche für die Jahre 2023 und 2024 falle zum Beginn des Haushaltsjahres 2024 an. Die zweite und dritte Tranche soll aus Sicht der Länder 2025 und 2027 nach einem entsprechenden Bericht der Länder fließen, "in dem diese den Fortbestand der eigenen Verpflichtungen aus dem 2019 geschlossenen Pakt für den Rechtsstaat darlegen".
Was darüber hinaus den außerdem im Koalitionsvertrag versprochenen Digitalpakt anbelangt, so dürfte dem Bundesjustizminister, der der Jumiko wie üblich als Gast beiwohnen wird, diese Forderung der Länder am meisten Bauchschmerzen bereiten:
Denn für Projekte, die für den Aufbau eines digitalen Rechtsstaates notwendig seien, erwarten sie vom Bund eine jährliche Förderung in Höhe von 350 Millionen Euro bis zum Jahre 2026. "Der Bund soll den Ländern diese strukturelle Förderung in Höhe von 350 Millionen Euro p.a., ebenfalls durch Festbeträge im Rahmen der vertikalen Umsatzsteuerverteilung für die Jahre 2024-2026 zusichern", heißt es. Insgesamt sollen nach Wunsch der Länder für die Digitalisierung der Justiz bis ins Jahr 2026 1,05 Milliarde Euro fließen.
Rechnet man die Forderungen zusammen, verlangen die Länder vom Bund also in den nächsten Jahren 1,27 Milliarden Euro – "für einen Rechtsstaat, der Bürgerinnen und Bürgern in angemessener Zeit auch zu ihrem Recht verhilft". Die Enttäuschung dürfte vorprogrammiert sein.
Digital- und Rechtsstaatspakt auf der Herbst-Jumiko: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50110 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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