Wenn der Flugablauf wegen schlechtem Wetter durcheinander gerät, dürfen Airlines selbst entscheiden, welche Flüge sie ausfallen lassen. Eine Annullierung ist auch zur Vermeidung von Verspätungen am nächsten Tag zulässig, entschied der BGH.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil gefällt, das die Fluggesellschaften freuen dürfte: In ihrer Entscheidung, welche Flüge aufgrund extremer Wetterbedingungen zu annullieren sind, steht den Airlines ein Beurteilungsspielraum zu. Die Annullierung eines Fluges kann demnach auch dann zulässig sein, wenn der Flug zwar eigentlich durchgeführt werden könnte, durch die Annullierung vorsorglich aber Verspätungen am nächsten Tag vermieden werden sollen (Urt. v. 24.09.2024, Az. X ZR 136/23).
Im konkreten Fall hatte sich eine Frau im Februar 2020 einen Abendflug von Stuttgart nach Hamburg gebucht. Geplanter Abflug war um 18:15 Uhr. Um 20:30 Uhr folgte dann aber die Nachricht: Der Flug wurde annulliert. Grund war ein Schneesturm, der an dem Tag in Stuttgart gewütet hatte. Die Frau kam deswegen erst einen Tag später in Hamburg an.
Der Dienstleister, an den die Frau ihre Ansprüche abgetreten hatte, klagte daraufhin auf eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (Fluggastrechte-VO). Das Amtsgericht Nürtingen gab der Klage noch statt und verurteilte die Fluggesellschaft zur Zahlung von 250 Euro. Vor dem Landgericht (LG) Stuttgart und letztlich auch vor dem BGH hatte die Klage jedoch keinen Erfolg.
Der Frau stehe kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu, denn die Annullierung beruhe in diesem Fall auf außergewöhnlichen Umständen gemäß Art. 5 Abs. 3 Flugastrechte-VO, so der BGH.
Ruhe nach dem Sturm, aber immer noch Chaos am Flughafen
Der Schneesturm in Stuttgart habe den gesamten Flugtag beeinträchtigt und insbesondere bei vorherigen Flügen zu Verspätungen geführt. Der streitgegenständliche Flug hätte zwar am Abend wieder starten können. Die Airline habe sich aber dazu entscheiden dürfen, den Flug trotzdem zu annullieren, um Verspätungen und Ausfälle am nächsten Tag zu vermeiden.
Um sich auch bei einem späteren Flug auf den außergewöhnlichen Umstand – hier die schlechten Wetterbedingungen – berufen zu können, müsse nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein unmittelbar ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Umstands und der Annullierung des späteren Fluges bestehen. Davon könne zum Beispiel nicht ausgegangen werden, wenn es in der Zwischenzeit genügend Gelegenheit gegeben hätte, die entstandene Verspätung mit zumutbaren Maßnahmen aufzuholen, etwa weil genügend Zeitpuffer eingeplant wurden.
Dagegen bestehe ein solcher Zusammenhang selbst dann, wenn die Wetterbedingungen die Durchführung des Flugzeuges zwar eigentlich nicht mehr verhindern, es aber zu Beeinträchtigungen bei späteren Flügen führen würde, das Flugzeug starten zu lassen.
Airlines haben Wahlrecht
"Wenn ein außergewöhnlicher Umstand dazu führt, dass nicht alle vorgesehenen Flüge stattfinden können, ist dem Luftfahrtunternehmen bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen ein Spielraum zuzubilligen", erläutert der für Fluggastrechte zuständige X. Zivilsenat.
Fluggesellschaften könnten sich daher dazu entscheiden, am Tag des Sturmes alle vorgesehen Flüge – wenn auch verspätet – starten zu lassen und dafür die Flüge am nächsten Tag (teilweise) zu annullieren. Oder aber umgekehrt: Die Fluggesellschaft könne auch einzelne Flüge am Tag des Sturmes annullieren, um so für den reibungslosen Ablauf des nächsten Tages zu sorgen.
In beiden Fällen stehe die Annullierung im Zusammenhang mit dem außergewöhnlichen Umstand. Ein Ausgleichsanspruch ist dann in der Regel ausgeschlossen. Ein schnellstmöglicher Ersatzflug muss dem Fluggast aber trotzdem angeboten werden. In diesem Fall hätte es jedoch keine andere Möglichkeit gegeben, mit der die Frau früher in Hamburg angekommen wäre.
BGH billigt Beurteilungsspielraum zu: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55727 (abgerufen am: 31.10.2024 )
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