Söders Kreuzerlass ist ein Fall für den VGH: Wie neu­tral kann ein Kru­zifix sein?

10.06.2020

Seit 2018 soll auf Anordnung von Ministerpräsident Söder in allen Landesbehörden Bayerns ein Kruzifix hängen. Aber ist das verfassungsgemäß? Auf diese Frage muss nun der Bayerische VGH eine Antwort finden.

Wie halten es die bayerischen Landesbehörden mit der Religion? Mit dieser Gretchenfrage muss sich nun das höchste Verwaltungsgericht im Freistaat befassen. Der umstrittene Kreuzerlass der Staatsregierung wird ein Fall für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Eine Gerichtssprecherin bestätigte am Mittwoch, dass ein entsprechendes Verfahren dort anhängig ist. Zuvor war bekannt geworden, dass das Verwaltungsgericht (VG) München 27 Klagen gegen den Erlass dorthin verwiesen hatte (Beschl. v. 27.05.2020, Az. M 30 K 18.4955).

Rückblick: Im April 2018 beschloss das bayerische Kabinett auf Initiative des damals gerade erst zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Markus Söder (CSU), dass im Eingangsbereich jeder Landesbehörde künftig ein Kruzifix hängen soll. Die entsprechende Regelung findet sich in § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO). Trotz heftiger Kritik - sogar von den Kirchen, die ihm vorwarfen, das christliche Symbol für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen - trat der Erlass im Juni 2018 in Kraft.

Kurz danach reichte der religionskritische Bund für Geistesfreiheit (BfG) Klage gegen den Erlass ein - und nicht nur der. Der BfG-Klage schlossen sich damals 25 Unternehmer, Politiker und Kulturschaffende an, darunter der Liedermacher Konstantin Wecker. Nach Gerichtsangaben werden alle Klagen gesammelt verhandelt. Die Kläger wollen die bayerische Staatsregierung in mehreren Anträgen unter anderem dazu verpflichten, den Kreuzerlass zurückzunehmen und die Kreuze zu entfernen. 

Normenkontrollverfahren als neuer Weg

Für diese Klagen hat sich das VG nun als unzuständig angesehen und die Entscheidung an den VGH verwiesen, bestätigt ein Sprecher gegenüber LTO. Der Erlass stelle faktisch eine Rechtsvorschrift dar, die gem. § 47 Nr. 2 Verwaltungsprozessordnung (VwGO) der VGH im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens zu überprüfen habe.

Grundsätzlich weist die Staatsregierung in der AGO lediglich ihre nachgeordneten Behörden an, weswegen ein derartiger Erlass nicht gegenüber dem einzelnen Bürger wirkt. In Ausnahmefällen kann aber auch eine solche Verwaltungsvorschrift eine Außenwirkung für den Bürger haben, sodass sie letztlich mit einer Rechtsvorschrift gleichzusetzen ist.

Zu diesem Ergebnis kommt die 30. Kammer hinsichtlich des Kreuzerlasses in § 28 AGO. Der angewiesenen Behörde stehe kein Entscheidungsspielraum zu, ob sie das Kreuz aufhängt oder nicht. Damit betreffe die Verpflichtung zum Anbringen eines gut sichtbaren Kreuzes im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes letztendlich jeden die Behörde besuchenden Bürger unmittelbar, so die Begründung. Deswegen soll sich jetzt der VGH der Entscheidung annehmen.

Assunta Tammelleo, die stellvertretende Vorsitzende des BfG München und Initiatorin der ursprünglichen Klage wird sich auch vor dem VGH weiter einsetzen: "Alle Klägerinnen und Kläger müssen in ihrem Leben eine Behörde aufsuchen oder werden gar dort hingebracht", sagte sie. "Von der Geburtsanzeige bis zur Sterbemitteilung, von der Kfz-Zulassung bis zu einem Bauantrag, von einer Gewerbeanmeldung bis zur Eheschließung - es gibt kaum einen Bereich, in dem die Klägerinnen und Kläger nicht damit konfrontiert sind, dass ihnen das Kreuz als quasi-staatliches Symbol demonstrativ vorgehalten wird."

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Söders Kreuzerlass ist ein Fall für den VGH: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41868 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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