VG Neustadt zu Rundfunkbeitragspflicht: Pastor muss "gott­losen" Rund­funk mit­fi­nan­zieren

20.10.2016

Dem Pastor einer freikirchlichen Gemeinde ist es nicht unzumutbar, den Rundfunkbeitrag zu zahlen. Er war der Meinung, das öffentlich-rechtliche Unterhaltungsprogramm propagiere einen "gottlosen" und "unmoralischen" Lebensstil.

Eine Befreiung von der grundsätzlich verfassungsgemäßen Rundfunkbeitragspflicht kann nicht unter Berufung darauf erreicht werden, dass es dem Beitragspflichtigen aus Gewissensgründen unzumutbar sei, Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms mitzufinanzieren, die mit seinen Wertmaßstäben nicht vereinbar seien. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt entschieden (Urt. v. 20.09.2016, Az. 5 K 145/15.NW).

Der klagende Mann ist Pastor einer freikirchlichen Gemeinde. Er erhob zunächst Klage gegen die Beitragserhebung auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2013 geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, nach dem die Beitragspflicht nicht mehr an das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten, sondern an das Innehaben einer Wohnung anknüpft. Dabei argumentierte er mit der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Neuregelung, insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Gewissensfreiheit.

Diese Klage wurde von den Gerichten jedoch abgewiesen. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verstoße weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen die in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz gewährte Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Gläubige Christen würden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lächerlich gemacht

Im Juni 2014 beantragte er sodann aus religiösen Gründen die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines Härtefalls. Seine Familie habe keinen Fernseher und nutze nicht einmal ein Radio. Informationen würden vor allem über das Internet und DVDs bezogen.

Nachdem dieser Antrag durch die Rundfunkanstalt abgelehnt worden war, erhob er nach erfolglosem Widerspruchsverfahren die jetzt zu entscheidende Klage zum VG. Er sei zumindest von der Beitragspflicht zu befreien, weil ihm nicht zuzumuten sei, die aus seiner Sicht schädigenden Inhalte des öffentlich-rechtlichen Programms mitzufinanzieren. Ein großer Teil des Unterhaltungsprogramms präsentiere einen aus biblisch-christlicher Sicht inakzeptablen, gottlosen, unmoralischen und damit zerstörerischen Lebensstil. Bibelgläubige Christen und ihr Glaube würden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verunglimpft und lächerlich gemacht. Der Rundfunkbeitrag diene damit der Finanzierung eines Programms, das massiv gegen seine persönliche Glaubensüberzeugung verstoße und sein Gewissen verletze.

Das VG Neustadt hat diese Klage nun aber abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Befreiung wegen eines Härtefalls lägen nicht vor. Zunächst sei dem Pastor der Empfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht objektiv unmöglich. Der Umstand, dass er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Berufung auf die Gewissens- bzw. Religionsfreiheit ablehne, begründe zudem keinen Befreiungsanspruch. Bereits in einem Beschluss des Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zu seiner ersten Klage sei ausgeführt worden, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstoße, da mit der Beitragszahlung kein weltanschauliches Bekenntnis verbunden sei.

VG: BVerfG-Rechtsprechung zur Steuerpflicht übertragbar

Auch wenn der Rundfunkbeitrag – anders als Steuern – zu einem konkreten Zweck erhoben werde, könne die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Steuerpflicht übertragen werden, so das VG Neustadt. Danach berühre eine Gewissensentscheidung wie die Ablehnung der Finanzierung bestimmter staatlicher Maßnahmen, z. B. der Verteidigung, nicht grundsätzlich die Pflicht zur Zahlung von Steuern als einem Finanzierungsinstrument des Staates ohne jede Zweckbindung. Die Entscheidung über die Verwendung der Steuern treffe allein das Parlament. Zugleich könne der Steuerpflichtige auch nicht verlangen, dass ihm die Steuerschuld aus Billigkeitsgründen erlassen werde.

Ebenso wenig könne sich der Pastor deshalb aus Gewissensgründen auf einen Härtefall berufen, um individuell von der Beitragszahlung befreit zu werden, folgerte jetzt das VG. Beim Rundfunkbeitrag stehe ebenfalls nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des jeweiligen Schuldners verwendet werde. Die Sendetätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei außerdem gerade geprägt vom verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Vielfaltssicherung und der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten. Deren Verwirklichung diene auch eine Finanzierungsgarantie, die ihrerseits die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleiste.

Deshalb sei es ausgeschlossen, die Vereinbarkeit der Programminhalte mit den Wertvorstellungen der einzelnen Beitragspflichtigen zum Maßstab für die Zumutbarkeit der Beitragszahlung zu machen, so das Gericht.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Neustadt zu Rundfunkbeitragspflicht: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20915 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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