VG Münster zu Corona in der Fleischfabrik: "Eine erheb­liche epi­de­mio­lo­gi­sche Gefah­ren­qu­elle"

11.05.2020

Im Kreis Coesfeld musste ein großer Fleischbetrieb zu Recht schließen, bestätigte das VG Münster am Wochenende. Unter anderem wegen "unzureichender Vorsichtsmaßnahmen" in der Fabrik gebe es keine andere Option.

Nach dem Corona-Ausbruch in einem Fleischbetrieb in Coesfeld mit mehr als 200 infizierten Arbeitern gibt es massive Kritik an den Zuständen in der Fabrik. Das Verwaltungsgericht Münster (VG) lehnte am Sonntag einen Eilantrag der Firma Westfleisch gegen die befristete Schließung ihres betroffenen Schlacht- und Zerlegebetriebes ab (Beschl. v. 9.5.2020, Az.: 5 L 400/20). Der Betrieb sei "aufgrund ersichtlich unzureichender Vorsichtsmaßnahmen" zu einer "erheblichen epidemiologischen Gefahrenquelle" nicht nur für die Belegschaft geworden, hieß es in der Begründung der Entscheidung. Gewerkschaften forderten schärfere Kontrollen und grundlegend bessere Arbeitsbedingungen in allen Fleischbetrieben.

Die Zahl der positiv auf das Coronavirus getesteten Arbeiter in dem Betrieb stieg bis Sonntagnachmittag nach Angaben des Kreises auf 230 an. Die Ergebnisse von rund 250 der fast 960 Tests standen noch aus. Erneut waren am Sonntag Teams des Gesundheitsamtes vor Ort, um die Arbeiter in ihren verstreut im Kreis Coesfeld liegenden Unterkünften zu testen und über die Quarantäne zu belehren, wie ein Kreissprecher sagte. Dabei unterstützten sie Dolmetscher. Insgesamt hat der betroffene Betrieb rund 1.200 Beschäftigte. Die Arbeiter sind nach Angaben von Westfleisch mehrheitlich in Wohnungen mit drei, vier oder fünf Personen untergebracht. Viele Arbeiter in der Fleischbranche kommen aus Osteuropa.

Der Kreis Coesfeld hatte die Schließung der Westfleisch-Fabrik von Samstag bis 18. Mai verfügt. Es sei davon auszugehen, dass es noch eine unbestimmte Anzahl von Corona-Verdachtsfällen oder Ansteckungen dort gebe, hieß es in dem Gerichtsbeschluss. Westfleisch kann dagegen innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht NRW einlegen.

Das Amt für Arbeitsschutz habe bei einer Überprüfung festgestellt, dass es sowohl im Bereich des Zerlegebandes als auch in den Umkleiden Probleme gebe, den Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten, so das VG. Die Mund-Nasen-Schutzmasken würden am Zerlegeband nicht korrekt getragen. Die Firma sei nicht in der Lage gewesen, Infektionsschwerpunkte zu benennen.

Debatte um Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen

Westfleisch zeigte sich betroffen. Man stehe mit den insgesamt rund 5.400 Beschäftigten und den Landwirten im engen Austausch. Westfleisch arbeite "unter Hochdruck" an Lösungen für die Landwirte. Unter Berufung auf den Westfälisch-Lippischen-Landwirtschaftsverband (WLV) teilte das Unternehmen mit, dass rund 1.000 Schweinemäster den Westfleisch-Standort Coesfeld beliefern.

Unterdessen kam eine Debatte über die Arbeits-und Gesundheitsbedingungen in Schlachthöfen auf. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte: "In Schlachthöfen muss deutlich mehr unternommen werden, um die Risiken für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu reduzieren." Die Branche falle seit Jahren immer wieder mit miserablen Arbeitsbedingungen auf.

Der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Freddy Adjan, sagte: "Diese Krise macht deutlich, wie überfällig es ist, auf Stopp zu drücken und den ruinösen Preiskampf beim Fleisch zu beenden." Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rief die zuständigen Länder zum Durchgreifen und zu Kontrollen der Arbeitsschutzregeln auf.

dpa/ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Münster zu Corona in der Fleischfabrik: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41574 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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