Laut BVerwG muss schwerkranken Menschen in extremen Ausnahmesituationen der Zugang zu Betäubungsmitteln für eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht werden. Das VG Köln sieht das jedoch anders und wies die Klagen mehrerer Sterbewilliger ab.
Schwerkranke Menschen haben nach mehreren Urteilen des Verwaltungsgerichts (VG) Köln keinen Anspruch auf den Zugang zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung. Das Gericht wies die Klagen mehrerer Schwerkranker gegen die Bundesrepublik Deutschland ab, die vor Gericht eine Erwerbserlaubnis für das Präparat Natriumpentobarbital erzwingen wollten, wie ein Justizsprecher am Mittwoch mitteilte (Urt. v. 24.11.2020, Az. 7 K 13803/17, 7 K 14642/17 und 7 K 8560/18).
Die Kläger sind nach Angaben des Gerichts dauerhaft schwer erkrankt. Sie leiden an Multipler Sklerose, an Krebs oder an schweren psychischen Leiden. Deshalb hatten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die nach dem Betäubungsmittelgesetz für den Erwerb von Natriumpentobarbital erforderliche Erlaubnis beantragt. Dabei beriefen sie sich unter anderem auf das aus dem Grundgesetz abzuleitende Grundrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod. Das BfArM lehnte die Anträge dennoch ab. Daraufhin erhoben die Schwerkranken Klage vor dem Kölner VG.
Das VG hielt das generelle Erwerbsverbot von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung für verfassungswidrig und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor. Das Karlsruher Gericht wies die Vorlage im Juni aber als unzulässig ab. Grund für die Abweisung der Vorlage war ein in der Zwischenzeit ergangenes Urteil des BVerfG, in dem es das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärte. § 217 Strafgesetzbuch (StGB), welcher die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt, sei verfassungswidrig. Angesichts dieses Urteils, das im Februar erging, genüge die Vorlage aus Köln nicht den Anforderungen an die Begründung, hieß es im Juni aus Karlsruhe.
VG entscheidet gegen BVerwG
Mit seinen nunmehr ergangenen Urteilen wies das VG die Klagen der Sterbewilligen ab. Das Gericht betonte, es sehe aufgrund des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers auch in Ausnahmefällen keine Möglichkeit, eine Erwerbserlaubnis für ein Mittel zur Selbsttötung zu erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte dies im März 2017 noch anders gesehen und entschieden, dass der Staat schwer kranken, sterbewilligen Patienten in extremen Ausnahmefällen den Zugang zu einer tödlichen Betäubungsmitteldosis für einen schmerzlosen Suizid nicht verwehren darf.
Das VG folgte der Entscheidung jedoch nicht. Zwar sei es weiterhin zweifelhaft, ob das im Betäubungsmittelgesetz enthaltene generelle Verbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Es liege jedoch zumindest derzeit kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht Suizidwilliger vor. Denn nachdem das BVerfG den § 217 StGB für nichtig erklärt hatte, hätten Sterbehilfeorganisationen ihre Tätigkeit wieder aufgenommen, die einen begleiteten Suizid auch ohne Inanspruchnahme von Natriumpentobarbital ermöglichten. Damit stehe den Klägern eine Alternative zur Verfügung, betonte das VG.
Die Inanspruchnahme von Sterbehilfeorganisationen sei laut VG zwar nach wie vor problematisch, da es an einer staatlichen Überwachung fehle und die Tätigkeit intransparent erfolge. Sie sei aber für eine Übergangszeit zumutbar, bis der Gesetzgeber ein tragfähiges Schutzkonzept für die Sterbehilfe und die Verwendung suizidgeeigneter Betäubungsmittel entwickelt habe. Es gebe, so das VG, auch genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bereits an solchen Schutzkonzepten arbeite.
Gegen die Urteile können die Beteiligten Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
VG Köln zur Selbsttötung: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43699 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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