VG Hannover verpflichtet Polizeiakademie zur Neuentscheidung: Polizei darf Bewerber nicht wegen HIV-Infek­tion ablehnen

18.07.2019

Darf ein HIV-Positiver in Niedersachsen Polizist werden? Die Polizei sagte nein, der Bewerber klagte dagegen. Mit Erfolg: Das VG Hannover verpflichtete die Polizeiakademie Niedersachsen, neu über seine Bewerbung zu entscheiden.

Die Polizeiakademie Niedersachsen darf einen Bewerber nicht wegen seiner HIV-Infektion ablehnen. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Hannover am Donnerstag (Urt. v. 18.07.2019, Az. 13 A 2059/17). Die niedersächsische Landespolizei hatte im Oktober 2016 eine Bewerbung des Klägers als Polizeikommissar-Anwärter abgelehnt. Argumentiert wurde, er sei wegen seiner HIV-Infektion für den Polizeidienst untauglich. 

Das Gericht gab aber dem Anwärter Recht: Weder drohe eine vorzeitige Dienstunfähigkeit noch bestehe ein Risiko, dass er Kollegen oder Bürger anstecken könnte. Die HIV-Infektion des Mannes wird seit Jahren antiviral behandelt. Dank der Therapie liegt bei ihm die Viruslast konstant unter der Nachweisgrenze. Das Gericht hatte zur Beurteilung des gesundheitlichen Zustands ein Gutachten eingeholt. Der Sachverständige sollte sich vor allem dazu äußern, ob der Kläger den Anforderungen des Polizeidienstes gesundheitlich gerecht werden könne, ohne dienstunfähig zu werden und ob ein Ansteckungsrisiko bestehe. Laut Gutachter gibt es keine Bedenken gegen eine Tätigkeit als Polizeibeamter.

Anspruch auf den geforderten Schadensersatz wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz habe der Mann jedoch nicht. Nach Auffassung des Gerichts hat er schon die Frist von zwei Monaten für die Geltendmachung solcher Ansprüche nach Ablehnung der Bewerbung nicht eingehalten. Die Kammer merkte aber an, dass sie auch in der Sache nicht von einer Diskriminierung des Bewerbers ausgeht, weil seine Polizeidiensttauglichkeit erst infolge des Sachverständigengutachtens fundiert habe bewertet werden können.

VG betont Einzelfallcharakter

Nach Auffassung des Klägers war die Ablehnung seiner Bewerbung aus medizinischer Sicht nicht vertretbar. Eine Ansteckung von Kollegen oder Kontaktpersonen sei äußerst unwahrscheinlich, sagte Jacob Hösl, der Anwalt des Klägers, bei der Verhandlung. Der Bewerber selbst war bei der Verhandlung am Donnerstag nicht zugegen. Grund sei die zu erwartende Öffentlichkeit in der Verhandlung. Die beklagte Polizeiakademie vertrat die Meinung, dass es im beruflichen Alltag bei körperlichen Auseinandersetzungen zu blutenden Verletzungen oder Blutkontakten kommen könne. Daher bestehe eine Infektionsgefahr für andere, sagte die Anwältin der Polizeiakademie im Gerichtssaal.

Verwaltungsrichter Jens Schade bedauerte, dass der Fall erst mehr als zweieinhalb Jahre nach Ablehnung der Bewerbung verhandelt worden sei. Zum einen sei das Gericht überlastet gewesen, zum anderen habe das medizinische Fachwissen zur Beurteilung dieser Sache gefehlt. 

Die Kammer hob aber hervor, dass ihre Einschätzung nicht allgemein für HIV-Infizierte Geltung beansprucht, sondern sich auf die gesundheitliche Situation des effektiv therapierten Klägers bezieht. Da dieser das Auswahlverfahren für den Polizeidienst noch gar nicht durchlaufen hatte, könne er aber nicht seine Einstellung als Polizeikommissar-Anwärter beanspruchen, sondern nur eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Dass ein Bewerber aufgrund seiner HIV-Infektion abgelehnt wurde, ist laut Anwalt Hösl in Deutschland so noch nicht bekannt geworden. Die Gewerkschaft der Polizei konnte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern, ob es solche Fälle in der Vergangenheit gegeben hat.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Hannover verpflichtet Polizeiakademie zur Neuentscheidung: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36583 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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