VG Berlin zu Asylverfahren in Ungarn: Keine sys­te­mi­schen Mängel mehr fest­ge­s­tellt

17.01.2017

Die deutsche Verwaltungsjustiz vertrat bisher die Position, dass Flüchtlinge wegen der Missstände im ungarischen Asylverfahren nicht nach Ungarn abgeschoben werden dürfen. Das VG Berlin entschied nun anders.

Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Ungarn leiden gegenwärtig nicht mehr an systemischen Mängeln. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit einer Reihe von Urteilen entschieden, wie das Gericht am Dienstag mitteilte (Urt. v. 13.12.2016, Az. 3 K 509.15 A u.a.).

Nach den Regeln der sog. Dublin-III-Verordnung (Dublin-III-VO) ist für innerhalb der EU gestellte Asylanträge grundsätzlich der Mitgliedstaat zuständig, den der Flüchtling als erstes betritt bzw. in dem er zuerst um Schutz nachsucht. Flüchtlinge, die sodann in einem anderen EU-Mitgliedstaat Asyl beantragen, werden daher in der Regel an diesen ersten zuständigen Staat verwiesen und können dorthin überstellt werden.

Ausnahmsweise muss der nachrangige Mitgliedstaat das Asylverfahren selbst durchführen, etwa wenn das Asylverfahren im ersten Mitgliedstaat an sogenannten systemischen Mängeln leidet. Anfang 2015 hatte das VG Berlin in verschiedenen Eilverfahren eben solche für Ungarn bejaht. Auch das VG Köln, das OVG Lüneburg und der VGH Baden-Württemberg entschieden in der Vergangenheit, dass Flüchtlinge nicht nach Ungarn abgeschoben werden dürfen.

Haft- und Aufnahmebedingungen in Ungarn nun zumutbar

Nach Ansicht des Berliner Gerichts rechtfertigt die zwischenzeitliche Entwicklung der Verhältnisse in Ungarn eine solche Bewertung nicht mehr. Die Befürchtung, Dublin-Rückkehrer aus Deutschland könnten von Ungarn direkt nach Serbien abgeschoben werden, wo ihnen der Zugang zu einem fairen Asylverfahren nicht offen stehe, sei unbegründet. Serbien lehne als unmittelbare Reaktion auf die Schließung der Balkan-Route entlang der ungarisch-serbischen Grenze die Wiederaufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn mittlerweile weitestgehend ab. Eine unmenschliche oder erniedrigende Verhängung von Asylhaft dergestalt, dass Asylbewerber ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen zum Teil bis zu sechs Monate inhaftiert würden, sei nicht mehr zu beobachten.

Auch für unzumutbare Haft- und Aufnahmebedingungen in Ungarn gebe es keine belastbaren Anhaltspunkte mehr. Hauptgrund hierfür sei, dass Ungarn die nationalen Bestimmungen über die Asylhaft im August 2015 an die maßgeblichen Vorgaben der Europäischen Union angepasst habe und die ungarische Justiz gegen Haftentscheidungen im Übrigen effektiven Rechtsschutz gewähre.

Hinzu komme, dass die Zahl der Asylbewerber in Ungarn infolge der ergriffenen Maßnahmen und der Weiterreise vieler Flüchtlinge in andere europäische Länder seit dem Jahre 2016 erheblich zurückgegangen sei. Dementsprechend seien die ungarischen Aufnahmeeinrichtungen nicht ausgelastet.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Berlin zu Asylverfahren in Ungarn: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21800 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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