Wer als Säugling getauft wurde und nicht aus der Kirche ausgetreten ist, muss Kirchensteuer zahlen. Laut VG Berlin gilt das auch dann, wenn man bisher überhaupt nichts von seiner Taufe und Kirchenmitgliedschaft wusste.
Wer als Kleinkind getauft wurde, bleibt auch nach dem Austritt der Eltern Mitglied der Kirche und muss gegebenenfalls später selbst formal austreten. Andernfalls ist die Kirchensteuer fällig. Das entschied das Berliner Verwaltungsgericht (VG) am Donnerstag und wies die Klage einer 66-Jährigen zurück, die sich gegen zwei Kirchensteuerbescheide wandte (Urt. v. 12.12.2019, Az. 27 K 292.15).
Die klagende Frau dürfte sich ziemlich gewundert haben, als das Finanzamt Berlin-Prenzlauer Berg für die Jahre 2012 und 2013 Kirchensteuer verlangte. Auf einem Fragebogen hatte sie zuvor angegeben, nicht getauft zu sein. Tatsächlich wurde sie aber zwei Monate nach ihrer Geburt im Jahr 1953 in der evangelischen Kirchengemeinde Bitterfeld getauft, ihre Eltern traten 1956 und 1958 aus der Kirche aus.
Die Frau aus Ostdeutschland hatte vor Gericht argumentiert, dass mit dem Austritt ihrer Eltern aus der evangelischen Kirche zu DDR-Zeiten in den 50er Jahren auch für sie die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft erloschen sei. Ihre Eltern hätten ihren Austritt seinerzeit miterklärt. Sie sei atheistisch erzogen worden, eine Mitgliedschaft sei ihr all die Jahre über nicht bewusst gewesen und sie könne sich auch nicht an die Taufe erinnern. Davon abgesehen sei die Anbindung der Kirchensteuerpflicht an die Kirchenmitgliedschaft und dieser wiederum an die Säuglingstaufe verfassungswidrig, weil das Freiwilligkeitsprinzip verletzt werde.
Das VG wies ihre Klage jedoch ab. Die Bescheide zur Kirchensteuer seien rechtmäßig und verletzten die Frau nicht in ihren Rechten. Sie sei durch die Taufe im Jahr 1953 Mitglied der evangelischen Kirche geworden und sei erst 2014 wieder ausgetreten, aus den Austrittserklärungen der Eltern ergebe sich ihr Kirchenaustritt nicht. Auch das Freiwilligkeitsprinzip sei nicht verletzt, entschied das VG. "Die Klägerin hätte mit ihrer Kirchenmitgliedschaft rechnen müssen und daher austreten können, dies aber nicht getan", so das Gericht in einer Mitteilung.
acr/LTO-Redaktion
VG Berlin zur Kirchensteuerpflicht bei vermeintlicher Konfessionslosigkeit: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39225 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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