Die Sperrung der Friedrichstraße in Berlin-Mitte für Kraftfahrzeuge ist rechtswidrig. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Eilverfahren. Der Berliner Senat erwägt nun, gegen den Beschluss Rechtsmittel einzulegen.
Die Friedrichstraße in Berlin-Mitte darf für Kraftfahrzeuge nicht gesperrt werden. Das entschied die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin am Montag per Beschluss im Rahmen eines Eilverfahrens (Beschl. v. 24.10.22, Az. VG L 398/22).
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ordnete Mitte 2020 einen Verkehrsversuch zur Verkehrsberuhigung der Friedrichstraße bis Ende Oktober 2021 an. Zu diesem Zweck wurde die Friedrichstraße auf einem etwa 500 Meter langen Abschnitt temporär voll gesperrt. Zur Begründung führte der Senat an, "entsprechend ihrer Lage, der vorwiegend touristischen Nutzung als Flaniermeile und ihres historischen Kontextes" solle die Friedrichstraße "dauerhaft vom motorisierten Verkehr freigehalten und folglich verkehrsberuhigt und somit attraktiv für den Fuß- und Radverkehr gestaltet werden".
Nach Ende des Verkehrsversuchs beantragte er beim Bezirksamt Mitte die straßenrechtliche Teileinziehung des aktuell gesperrten Abschnitts, also die Änderung der Widmung als öffentliche Straße, die auch dem motorisierten Verkehr offensteht.
Zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Abschluss des Teileinziehungsverfahrens erließ die Senatsverwaltung daraufhin eine verkehrsrechtliche Anordnung, mit der die Aufrechterhaltung der Sperrung der Friedrichstraße für den motorisierten Verkehr verfügt wurde. Zur Begründung führte sie an, die Anordnung sei "im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung" nötig, um "die positiven Aspekte des Verkehrsversuchs bis zur Teileinziehung zu erhalten".
Hiergegen wandte sich die die Inhaberin eines Geschäfts in der Nähe der Friedrichstraße.
Konkrete Gefahrenlage nötig
Das VG gab dem Eilantrag der Geschäftsfrau nunmher statt. Die Voraussetzungen für die Straßensperrung lägen nicht vor. Die Straßenverkehrsbehörden könnten die Benutzung bestimmter Straßenstrecken nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung setze damit eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs voraus.
Daran fehle es hier. Die Behörde selbst habe ihre Entscheidung nur darauf gestützt, dass die Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße als Geschäftsstraße verbessert werden solle. Die Straßenverkehrsordnung enthalte aber keine Rechtsgrundlage, um den Fahrzeugverkehr allein wegen verkehrsordnungspolitischer Konzeptionen zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Anwohner- und Wirtschaftsverkehrs zu verdrängen.
Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen könnten zwar bei Vorliegen einer Gefahrenlage auch zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ergehen. Hierfür bedürfe es aber zusätzlich eines städtebaulichen Verkehrskonzepts, das hinreichend konkret die verkehrsmäßigen Planungen in einem bestimmten räumlichen Bereich darstellen müsse. Ob ein solches Konzept vorliege, sei jedoch zweifelhaft.
Schließlich stehe der Sperrung die weiter bestehende straßenrechtliche Widmung der Friedrichstraße entgegen, die auch den Kraftfahrzeugverkehr umfasse. Die Anordnung einer Verkehrsbeschränkung auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts dürfe nicht faktisch zu einem Zustand führen, der im Ergebnis auf eine dauerhafte Entwidmung oder Teileinziehung hinauslaufe.
Senat will an "Flaniermeile" festhalten
Das Gericht verpflichtete das Land Berlin dazu, die entsprechenden Verkehrszeichen binnen zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung zu entfernen. Ob die Entschediug rechtskräftig wird, ist noch offen. Die Senatsverwaltung kündigte am Dienstag an, die Einlegung einer Beschwerde am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu prüfen.
Außerdem bekräftigte die Berlins zuständige Senatorin Bettina Jarasch, an einer autoftreien "Flaniermeile Friedrichstraße" festzuhalten: "Ich möchte eine gute dauerhafte Lösung als Fußgängerzone. Deshalb haben wir das Verfahren neu aufgelegt und dabei Vorschlägen der Anrainer Rechnung getragen." Das Verfahren zur endgültigen Umwandlung (...) laufe unabhängig von der heutigen Gerichtsentscheidung weiter.
pab/hs/LTO-Redaktion
Trotz Niederlage vor dem VG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49981 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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