Die hohe Zahl der Asylbewerber bedeutet viel Arbeit für die Verwaltungsgerichte - denn viele abgelehnte Asylbewerber klagen gegen den Bescheid. Nun kommt ein dringender Hilferuf aus der Justiz.
Bayerns Verwaltungsrichter schlagen Alarm. Grund ist die hohe Zahl der Asylverfahren. Es sei absehbar, dass sowohl die Asylverfahren als auch in der Folge die allgemeinen Verfahren "bald nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bearbeiten" sein würden, schreibt der Verband der bayerischen Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen an SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Die personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte sei auf die Herausforderungen nicht ausgerichtet. Rinderspacher forderte deswegen am Donnerstag mindestens 50 neue Richterstellen.
Lange Verzögerungen halten die Verwaltungsrichter aus mehreren Gründen für nicht akzeptabel: "Eine andauernde Ungewissheit im Hinblick auf das weitere Schicksal ist vor allem den Flüchtlingen nicht zumutbar", schreibt die Verbandsvorsitzende Sabine Lotz-Schimmelpfennig. Die Juristen haben aber auch die Kosten im Blick: Lotz-Schimmelpfennig argumentierte, dass unberechtigte Asylbewerber bei langer Prozessdauer auch länger in Deutschland bleiben und am Ende mehr Kosten verursachen würden als neue Richterstellen. Ähnliche Brandbriefe schickten die Verwaltungsrichter auch an Ministerpräsident Horst Seehofer, Innenminister Joachim Herrmann, Finanzminister Markus Söder (alle CSU) sowie alle Fraktionsvorsitzenden im Landtag.
Effektiver Rechtsschutz in Gefahr?
Die Staatsregierung hat zwar bereits 16 neue Stellen angekündigt, doch der tatsächliche Bedarf liegt nach Einschätzung der Verwaltungsrichter eher bei 40. Rinderspacher kritisierte: "Mit dem jetzigen Personalstand können die Verwaltungsgerichte die steigende Zahl der Asylverfahren nicht bewältigen." Auch sei die Qualität von Verfahren und Entscheidungen immer weniger gewährleistet. "Wenn die Staatsregierung nicht handelt, nimmt die Verfassungsaufgabe der Verwaltungsgerichte Schaden, den Bürgern effektiven Rechtsschutz zu gewähren", warnte der SPD-Politiker.
Noch schärfer äußerte sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: "Es ist eine Unverschämtheit der Bayerischen Staatsregierung, dass sie von den Kommunen erwartet, die ständig steigende Zahl von Asylbewerbern unterzubringen, selbst aber nicht einmal die dringend benötigten Asyl-Richter einstellt." Das Asylchaos in Bayern habe "einen Namen: CSU."
Asylbewerberprognose stark nach oben korrigiert
Sozialministerin Emilia Müller rechnet inzwischen mit bis zu 120.000 Asylbewerbern, die in Bayern untergebracht werden. Die CSU-Politikerin forderte deshalb finanzielle Hilfe von der Bundesregierung: "Wir können diese Last nicht mehr alleine stemmen." Müller war noch am Dienstag von niedrigeren Zahlen ausgegangen, doch hatte die Bundesregierung ihre Asylbewerberprognose für dieses Jahr am Mittwoch unerwartet stark nach oben korrigiert - von 450.0000 auf bis zu 800.000. Bayern nimmt nach dem festen Verteilungsschlüssel unter den Ländern 15,3 Prozent der Flüchtlinge auf.
Noch unklar sind die Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Die Fachleute in Finanz- und Sozialministerium machen sich bereits Gedanken, ob eine weitere Erhöhung der für dieses und nächstes Jahr veranschlagten gut 2,2 Milliarden Euro nötig werden könnte. Bis das geklärt ist, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen: Einerseits ist ungewiss, wie viele Asylbewerber tatsächlich noch kommen werden. Andererseits wird erst im September feststehen, wie viele Milliarden der Bund den Ländern zusätzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge zur Verfügung stellt.
dpa/age/LTO-Redaktion
Zu wenig Personal für Asylverfahren: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16671 (abgerufen am: 19.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag