Das mit Spannung erwartete Blitzerurteil der rheinland-pfälzischen VerfGH bringt zweierlei: Es wird wohl höchstrichterlich in Karlsruhe entschieden. Und: Die Blitzgeräte, um die es in dem Verfahren ging, bleiben in Betrieb.
Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Rheinland-Pfalz in Koblenz hat der Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers, der sich gegen seine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wehrte, teilweise stattgegeben. Das Gericht hob einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz auf, mit dem ein Antrag zur Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen wurde, und verwies die Sache zurück ans OLG (Urt. v. 15.01.2020, Az. VGH B 19/19).
Es geht um einen Autofahrer, der im Oktober 2017 auf der Autobahn 1 nahe Wittlich 34 Kilometer pro Stunde zu schnell gefahren sein soll. Er wurde von einer Radarfalle in einem Anhänger - einem sogenannten Enforcement Trailer des Typs PoliScan FM1 - geblitzt. Im Februar 2018 kassierte er eine Geldbuße von 120 Euro, gegen die er sich wehrte - zunächst vergeblich vor dem Amtsgericht (AG) Wittlich. Dieses lehnte die Anträge seines Anwalts auf Überlassung verschiedener Messdaten sowie der Auf- und Einbauvorschriften für die Verwendung des Gerätes und die Einholung eines Sachverständigengutachtens ab.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde durch den mit einer Richterin besetzten Bußgeldsenat vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz ebenfalls abgelehnt. Der Autofahrer hatte in seinem Antrag unter anderem geltend gemacht, dass einige andere Oberlandesgerichte ein Einsichtsrecht bejaht hätten. Das OLG hielt allerdings sämtliche aufgeworfenen Rechtsfragen verfahrens- und materiell-rechtlicher Art für geklärt.
Nächster Halt Karlsruhe?
Die Verfassungsbeschwerde dagegen hatte nun teilweise Erfolg. Die Entscheidung des OLG Koblenz verletze den Autofahrer in seinen Rechten auf effektiven Rechtsschutz und auf den gesetzlichen Richter, entschied der VerfGH. Besteht zu derselben Rechtsfrage abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, sei die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen, um eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof (BGH) zu ermöglichen.
Zur Frage, ob Messdaten herausgerückt werden müssen, äußerte sich der VGH nicht direkt. Er betonte aber, Ordnungswidrigkeitsverfahren – wie bei Tempoverstößen - unterschieden sich von Strafverfahren. Bei solchen Massenverfahren könne von einer komplexen Beweisaufnahme abgesehen werden. Es müssten auch die Erfordernisse einer funktionierenden Rechtspflege in den Blick genommen werden.
"Diese Sichtweise entspricht unserer Rechtsauffassung", teilte Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz mit. Vor dem Hintergrund der VerfGH-Entscheidung würden die bisher in Rheinland-Pfalz von der Polizei eingesetzten Blitzer in Betrieb bleiben. Laut Ministerium gibt es insgesamt zehn solcher Enforcement Trailer mit diesem Blitzgerät. Lewentz begrüßte, dass mit dem Urteil der Umfang der Verteidigungsrechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren, insbesondere im Zusammenhang mit standardisierten Messverfahren, höchstrichterlich und mit bundesweiter Wirkung geklärt werden könne.
Der VerfGH in Koblenz betonte auch, dass die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes "keineswegs zwingend" sei. Der hatte im Juli 2019 entschieden, dass Messungen des Blitzgeräts Traffistar S 350 des Herstellers Jenoptik in Bußgeldverfahren vorerst nicht verwendet werden dürfen, weil gewisse Messdaten nicht gespeichert würden, was das Grundrecht des betroffenen Autofahrers auf ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung verletze.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
VerfGH Rheinland-Pfalz zur Einsicht in Messdaten: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39881 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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