Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat den Verein "linksunten.indymedia" verboten. Am Freitagmorgen wurden die Wohnungen mehrerer Mitglieder durchsucht, das Vereinsvermögen soll beschlagnahmt werden.
"Ich wollte mit diesem Artikel nur schauen, wie es sich anfühlt, einen Artikel auf einer Webseite zu veröffentlichen, die laut Innenministerium schon abgeschaltet sein müsste." Diese Nachricht eines anonymen Nutzers war am Freitagmorgen (10:16 Uhr) die einzige Mitteilung auf der Website des Vereins "linksunten.indymedia", die sich auf das Verbot durch das Bundesinnenministerium (BMI) bezog.
Das Verbot hatte das BMI kurz zuvor bekannt gegeben. In den Morgenstunden sind zudem mehrere Räumlichkeiten des Vereins* durchsucht und Maßnahmen zur Beschlagnahme des Vereinsvermögens getroffen worden. Auch die Website sollte so schnell wie möglich abgeschaltet werden, was am Morgen aber offenbar noch nicht geschehen war.
In einer Erklärung bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Verein als "linksextremistisch" und machte ihn für die gewaltsamen Ausschreitungen bei den G20-Protesten in Hamburg mit verantwortlich: "Der Aufruf zu Gewalt gegen Polizisten und deren Bezeichnung als 'Schweine' und 'Mörder' soll Gewalthandlungen gegen Polizisten legitimieren. Er ist Ausdruck einer Haltung, die die Menschenwürde mit Füßen tritt. Das ist absolut inakzeptabel und mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar".
Betrieb der Seite ab sofort Straftat
Der Weiterbetrieb der Vereins-Website sei ab sofort eine Straftat, so de Maizière. "Wir werden alles daran setzen, dass die Maßnahmen der Strafverfolgung zeitnah und effektiv greifen. Für radikale, gewaltbereite Extremisten – gleich welcher Ausrichtung – ist kein Platz in unserer Gesellschaft."
Der Innenminister erklärte, bei den Durchsuchungen am Freitagmorgen seien auch Waffen gefunden worden. Ministeriumssprecherin Dr. Sonja Kock gab gegenüber LTO an, es handele sich dabei um Messer, Stöcke, Rohre, Zwillen, einen Teleskopschlagstock sowie Butterflymesser. Von den Durchsuchungen betroffen gewesen seien vier Personen, die als Betreiber der Website "linksunten.indymedia" identifiziert worden seien.
Weiterhin bezeichnete das BMI in seiner Mitteilung die Seite des Vereins als "einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland", die seit Jahren zur Verbreitung von Beiträgen mit strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten genutzt werde. Dort werde u.a. regelmäßig zu gewaltsamen Angriffen auf Polizisten aufgerufen. Trotz Kenntnisnahme hätten die Plattformbetreiber die Inhalte nicht von der Webseite gelöscht.
Als Beleg zitierte das Ministerium mehrere Beiträge, die von der Seite stammen sollen. Darin propagierten die Autoren Gewalt gegen Polizisten und bekannten sich zu Straftaten. Der Ursprung und die Authentizität dieser Beiträge ließ sich am Freitagmorgen nicht verifizieren. Die Seite war zu dieser Zeit zwar noch nicht abgeschaltet, hatte aber offenbar immer wieder mit Server-Problemen zu kämpfen. Inzwischen ist sie nicht mehr erreichbar.
2/2: BMI: Verein richtet sich gegen verfassungsmäßige Ordnung
Auf dem Internetportal konnten Nutzer anonym Beiträge und Kommentare einstellen, die von Mitgliedern moderiert wurden. Es biete somit öffentlichkeitswirksam die Möglichkeit, zu Gewaltaten aufzurufen, mittels Bekennerschreiben über eigene Straftaten zu berichten oder verfassungsfeindliche linksextremistische Inhalte zu teilen, erklärte das BMI. Es werde insbesondere von gewaltorientierten Linksextremisten genutzt.
Auch der Verfassungsschutz benennt in seinem aktuellen Bericht die Plattforn als "das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus". Seit Jahren biete sie ein Forum für weitgehend distanzlose Berichte über linksextremistische Agitation und Straftaten.
Außerdem sei sie "inzwischen das am meisten genutzte Forum für Selbstbezichtigungsschreiben gewaltorientierter Linksextremisten". Zudem würden dort vermeintliche Rechtsextreme öffentlich geoutet und Solidaritätsbekundungen mit ehemaligen RAF-Mitgliedern abgegeben.
Fällt Verbot zufällig in Wahlkampf?
Das BMI veröffentlichte zudem den Inhalt der Verfügung, welche einigen Vereinsmitgliedern am Freitag durch Polizisten zugestellt worden war. In dem Schreiben heißt es, der Verein laufe nach Zweck und Tätigkeit Strafgesetzen zuwider und richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) - die Voraussetzung für ein Vereinsverbot. In Verbindung mit § 3 Satz 1 Var. 1 und 2 des Vereinsgesetzes (VereinsG) wurde somit die Verbotsverfügung erlassen.
Demnach ist es auch verboten, die Website des Vereins, einschließlich einer nur über das Tor-Netzwerk abrufbaren Seite, sowie andere Internetpräsenzen wie auf Twitter zu betreiben oder Kennzeichen des Vereins öffentlich zu verbreiten oder zu verwenden. Das Verbot erstreckt sich laut BMI-Sprecherin Kock gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG auch auf Unterorganisationen des Vereins.
Auch zum Zeitpunkt des Verbots, das mitten in den Bundestagswahlkampf fällt, bezog man Stellung. Die langen und umfassenden Ermittlungsarbeiten seien demnach dafür verantwortlich, dass es nicht früher erlassen wurde. Das Ministerium verwies dabei ausdrücklich auf die "hohen verfassungsrechtlichen Hürden", denen ein Vereinsverbot unterliege. Zudem betonte man, auch "das rechtsextremistische Pendant zu 'linksunten.indymedia', die Internetplattform 'Altermedia Deutschland'", bereits am 27. Januar 2016 verboten zu haben.
Zur Verhältnismäßigkeit des Verbots äußerte sich Kock gegenüber LTO indes wortkarg und verwies lediglich auf die amtliche Bekanntmachung. Auch zur Nachfrage, ob das Verbot aufgrund § 3 Abs. 5 VereinsG auf Aktivitäten von Mitgliedern gestützt wurde, waren in den Stunden nach dem Verbot keine genaueren Informationen zu erhalten. Der Verein hat nun einen Monat Zeit, um vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Verfügung vorzugehen.
*Anm. d. Red.: Unvollständige Information berichtigt am 28.08., 10:10 Uhr.
Maximilian Amos, Razzia bei Mitgliedern: De Maizière verbietet "linksunten.indymedia" . In: Legal Tribune Online, 25.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24137/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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