Europäische Verfassungsrechtler kritisieren Ungarns Pläne zu NGOs: "Im Kon­text einer aggres­siven Kam­pagne"

06.06.2017

Verfassungsexperten des Europarates sehen im geplanten Gesetz der ungarischen Regierung zu ausländisch finanzierten NGOs eine mögliche Diskriminierung. Russische Zustände seien aber noch nicht erreicht.

Europa spart derzeit nicht mit Kritik an der ungarischen Regierung unter Premierminister Viktor Orbán. Ende April wurde von der Kommission der Europäischen Union (EU) erst ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Hauptgrund dafür war das neue Hochschulgesetz des Landes, welches unter anderem die Schließung einer vom US-amerikanischen Investor und Milliardär George Soros gegründeten Elite-Universität in Budapest zur Folge haben könnte.

Eher am Rande fand damals ein ebenfalls umstrittener Gesetzentwurf zu nichtstaatlichen Organisationen Erwähnung, der nun aber von Verfassungsexperten des Europarates wieder aufgegriffen wurde. Am Freitag veröffentlichte die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht - besser bekannt als Venedig-Kommission - in Straßburg eine vorläufige Einschätzung zu dem Entwurf. Darin kritisiert sie eine möglicherweise diskriminierende Behandlung der NGOs.

Bei der Kommission, die 1990 vom Ministerkomitee des Europarates ins Leben gerufen wurde, handelt es sich um ein unabhängiges Organ, welches den Rat in Verfassungsfragen berät. Es setzt sich aus Verfassungsrechtlern zusammen, die von ihren 58 Mitgliedstaaten entsandt werden. Der Europarat hatte die Einschätzung der Kommission zu dem Entwurf im April in Auftrag gegeben.

Kann Transparenz und Kriminalitätsbekämpfung dienen

Das geplante Gesetz, welches das Unbehagen der europäischen Juristen geweckt hat, sieht vor, dass sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in Ungarn tätig sind, aber aus dem Ausland finanziert werden, künftig bei Gericht registrieren müssen.

Grundsätzlich erkenne man an, so die Kommission, dass es sich bei dem Entwurf um eine legitime Bestrebung handele, Transparenz bei Nichtregierungsorganisationen herzustellen und möglicherweise auch Geldwäsche und Terrorismus zu bekämpfen.

Grund für die Kritik der Experten ist aber eine Passage, welche vorsieht, dass die NGOs sich sowohl auf ihrer Website als auch in allen Publikationen als "Organisation, die Unterstützung aus dem Ausland erhält" kennzeichnen müssen.

Im Kontext von aggressiver Kampagne gegen NGOs

Zwar sei es keine "höchst stigmatisierende" Einstufung wie die des "ausländischen Agenten", welche aus dem Ausland finanzierte Organisationen beispielsweise in Russland führen müssen. Dies zu vermeiden, sei eine gute Entscheidung gewesen. Doch stehe diese trotz ihrer vordergründigen Neutralität "im Kontext einer aggressiven Kampagne einiger ungarischer Behörden gegen ausländisch finanzierte Nichtregierungsorganisationen".

Aus Sicht der Kommission lässt dies den Schluss zu, dass die betroffenen Einrichtungen diskriminiert werden könnten. Aus diesem Grund empfiehlt sie der ungarischen Regierung in ihrer Stellungnahme eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit, bevor das Gesetz verabschiedet werde.

mam/LTO-Redaktion

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Europäische Verfassungsrechtler kritisieren Ungarns Pläne zu NGOs: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23110 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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