In vier Strafverfahren ist der 77-Jährigen angeklagt, u.a. in Washington im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol. Muss das Verfahren eingestellt werden, weil Trump Immunität genießt? Darüber verhandelt am Donnerstag der Supreme Court.
Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Strafverfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump und Frage, wo der Rechtsstaat seine Grenzen findet: Das Oberste Gericht der USA beschäftigt sich am Donnerstag mit der Frage, ob der 77-Jährige für seine Handlungen im Amt Schutz vor Strafverfolgung genießt. Von der Klärung der Immunitätsfrage hängt unter anderem ab, ob und wann der Prozess gegen Trump wegen versuchten Wahlbetrugs starten kann.
Der Ex-Präsident und aktuelle republikanische Präsidentschaftskandidat ist in Washington, D.C. im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 das Washingtoner Kapitol, den Parlamentssitz der USA, gestürmt. Trump selbst hatte bereits zuvor auf verschiedenen Ebenen versucht, das Wahlergebnis zu kippen.
Der Ex-Präsident und seine Anwälte streben an, dass diese Anklage fallen gelassen wird. Sie stützen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem damaligen Amt als Präsident. Sie argumentieren, dass Trump nicht rechtlich für Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Mit dieser Argumentation waren sie vor zwei Gerichten in der US-Hauptstadt gescheitert. Trumps Anwälte haben Berufung eingelegt, was dazu geführt hat, dass der Fall nun vor dem Supreme Court gelandet ist.
Endet die Immunität mit der Amtszeit?
Bei der Anhörung legen beide Seiten ihre Argumente vor den Richterinnen und Richtern des Supreme Court dar. Mit einem Urteil wird zwar erst in einigen Wochen gerechnet, aber die Fragen der Richterinnen und Richter dürften einen Einblick in ihre Auffassungen geben. Trump selbst wird nicht zur Anhörung erscheinen.
Das Urteil dürfte auch große Bedeutung für künftige Präsidenten haben. Sollten diese tatsächlich Immunität genießen, könnten sie möglicherweise Straftaten im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das ist jedoch davon abhängig, wie das Urteil den Begriff der offiziellen Handlung im Amt auslegt. Die Verfassung selbst gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht während ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der Auffassung, dass Präsidenten während ihrer Zeit im Weißen Haus nicht angeklagt werden können. Doch was passiert, wenn sie nicht mehr im Amt sind?
Die Frage hat sich in dieser Form bisher nicht gestellt, weil vor Trump noch nie ein ehemaliger US-Präsident auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Ex-Präsident Richard Nixon wurde 1974 von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt, nachdem er wegen der Watergate-Affäre zurückgetreten war. Es war ein innenpolitischer Skandal um Amts- und Machtmissbrauch, der mit dem ersten und bis jetzt letzten Rücktritt eines US-Präsidenten endete. Zu einer Anklage kam es wegen der vorsorglichen Begnadigung nie.
Gegen Trump hingegen laufen mittlerweile sogar vier Strafverfahren. Es geht neben versuchtem Wahlbetrug auch noch um die mutmaßlich gesetzeswidrige Aufbewahrung von Geheimdokumenten und möglicherweise unrechtmäßig verbuchte Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin.
Trump sei lediglich seinen Pflichten nachgegangen
Trumps Anwälte machen vor dem Supreme Court geltend, dass seine Handlungen nach der Präsidentenwahl 2020 zu seinen offiziellen Pflichten als Präsident gehörten. Deshalb könne er nicht strafrechtlich dafür belangt werden. Außerdem sei Trump in einem Amtsenthebungsverfahren nie vom Senat schuldig gesprochen worden. Dies, so die Anwälte, sei aber Voraussetzung für eine Strafverfolgung.
Etliche juristische Fachleute halten das für falsch. Trumps Anwälte führen weiter an, dass Präsidenten, sollten sie keine Immunität genießen, im Amt durch Erpressung entmündigt und nach ihrer Zeit im Weißen Haus zum Opfer politischer Gegner würden.
Mit dieser Argumentation sind Trump und seine Anwälte vor dem zuständigen Gericht in Washington und später vor einem Berufungsgericht gescheitert. Letzteres urteilte, dass aufgrund von Belangen der öffentlichen Ordnung, "insbesondere im Lichte unserer Geschichte und der Struktur unserer Regierung" eine Ablehnung des Antrages auf Immunität geboten sei. Trumps Auffassung, dass er kategorisch vor jeder Strafverfolgung geschützt werden solle für alle offiziellen Handlungen während seiner Amtszeit, werde nicht gestützt durch die Geschichte oder den Text oder die Struktur der Verfassung. Ähnlich sieht das die Staatsanwaltschaft. Sie argumentierte, dass das Kippen eines Wahlergebnisses nicht zu den Dienstpflichten eines Präsidenten zähle.
Erfolgreiche Verzögerungstaktik
Der Fall landete schließlich vor dem Supreme Court – allerdings mit Verzögerung. Sonderermittler Jack Smith beantragte bereits nach der ersten Entscheidung beim Obersten US-Gericht, das zwischengeschaltete Berufungsgericht zu umgehen. Er wollte erreichen, dass sich der Supreme Court direkt mit dem Fall befasst, weil dieser letztlich ohnehin dort landet. Es sei wichtig, diese Frage schnell vor der Präsidentenwahl zu klären, so Smith. Das lehnte der Supreme Court ab. Selbst als das Gericht den Fall schlussendlich Ende Februar annahm, setzte es die nun anstehende Anhörung erst für Ende April an.
Für Trump ist das ein Erfolg: Er setzt darauf, all seine Strafverfahren bis nach der Wahl zu verzögern.
Einzig das Verfahren um Schweigegeld für eine Pornodarstellerin in New York ist bereits angelaufen. Trumps Anwälte fluten die zuständigen Gerichte mit Anträgen – und sind dabei recht erfolgreich. Sollte der Supreme Court entscheiden, dass Trump Immunität für seine Handlungen im Amt genießt, ist das Wahlbetrugsverfahren in Washington hinfällig. Auch das Verfahren im Bundesstaat Georgia, das sich um ähnliche Vorwürfe dreht, und das Verfahren in Florida um die Mitnahme geheimer Unterlagen aus dem Weißen Haus dürften damit auf der Kippe stehen. Bei dem Verfahren in New York geht es um mutmaßliche Straftaten vor Trumps Zeit im Weißen Haus.
Bisher haben Trump die strafrechtlichen Ermittlungen in Umfragen nicht geschadet. Der Republikaner beteuert in allen Verfahren seine Unschuld und stellt die Ermittlungen gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn kaltzustellen. Bei der Wahl im November läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trump und dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden hinaus. Trumps Opfernarrativ verfängt bei seinen Anhängern. Dies könnte sich aber ändern, wenn Trump gleich in mehreren Prozessen im Gerichtssaal von Zeugen schwer belastet werden würde. Das will Trump unbedingt verhindern. Es geht besonders um die Außenwirkung. Denn weder die Anklage noch mögliche Verurteilungen sind eine rechtliche Hürde für seine Kandidatur.
xp/dpa/LTO-Redaktion
Supreme Court vor historischer Entscheidung: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54417 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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