SG Berlin zur Rentenversicherung: Toilettenfrauen bewachen nicht nur Trinkgeld

28.09.2012

Ein Betrieb, der sich für die Erlaubnis zum Sammeln von Trinkgeldern verpflichtet, in Warenhäusern und Einkaufszentren Kundentoiletten sauber zu halten, ist ein Reinigungsbetrieb. Die bei ihm angestellten Toilettenfrauen sind schwerpunktmäßig Reinigungskräfte und nicht lediglich Bewacherinnen von Trinkgeldtellern. Dies stellte das SG Berlin in einem am Freitag veröffentlichten Urteil klar.

Bei einer Betriebsprüfung stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass das Reinigungsunternehmen den angestellten Toilettenfrauen nicht den laut Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks geschuldeten Mindestlohn von rund 8 Euro gezahlt hat, sondern lediglich zwischen 3,60 und 4,50 Euro. Als Konsequenz verlangte die Rentenversicherung von dem Unternehmen, 100.000 Euro an Versicherungsbeiträgen nachzuzahlen.

Daraufhin klagte das Unternehmen und argumentierte, dass der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks vorliegend gar nicht greife. Denn die Reinigungstätigkeit habe für den Betrieb nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Toilettenfrauen, in der Regel Rentnerinnen, hätten 75% ihrer Arbeitszeit damit verbracht, die Teller für das Trinkgeld zu bewachen und dabei quasi als Automaten gehandelt. Die von den Besuchern freiwillig gezahlten Trinkgelder seien die einzige Einnahmequelle des Unternehmens. Die Grundreinigung der Toiletten würde auch gar nicht durch die Toilettenfrauen, sondern durch andere Mitarbeiter oder eine speziell beauftragte Firma durchgeführt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin entschied dagegen, dass auch für diese Toilettenfrauen der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks gelte. Denn schon aus dem Firmennamen "Reinigungsservice" ergebe sich, dass die Putzkräfte nicht in einem Betrieb für Trinkgeldaufsicht arbeiteten, sondern in einem Reinigungsunternehmen. Außerdem sei die laufende Reinigung der Toiletten wesentliche Vertragsverpflichtung der Firma gewesen. Schließlich spiele der zeitliche Umfang der Reinigungstätigkeit der Frauen keine Rolle - auch ein Arzt im Bereitschaftsdienst bleibe ein Arzt. (Urt. v. 29.08.2012, Az. S 73 KR 1505/10).

mbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

SG Berlin zur Rentenversicherung: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7202 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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