SG Berlin: Ren­ten­kür­zung für DDR-Staats­an­walt recht­mäßig

04.10.2011

Das SG Berlin hat 21 Jahre nach der Deutschen Einheit die Rentenkürzung für einen früheren DDR-Staatsanwalt als rechtmäßig bestätigt. Wie bei DDR-Ministern sei auch bei Staatsanwälten der DDR-Generalstaatsanwaltschaft davon auszugehen, dass ihnen ein Teil des Arbeitslohns nicht wegen ihrer Leistung, sondern als Prämie für Systemtreue gezahlt worden sei, teilte das Sozialgericht am Dienstag mit.

Es sei nicht zu beanstanden, wenn der überhöhte Arbeitslohn von Menschen, die einen erheblichen Beitrag zur Stärkung der DDR erbracht hätten, nicht in
vollem Umfang bei der Rentenberechnung berücksichtigt werde, so das Berliner Sozialgericht (Urt. v. 16.08.2001, SG, Az. S 14 RA 2111/02 W05).

Der Kläger war laut Gericht von 1963 bis zum 2. Oktober 1990 bei
der DDR-Generalstaatsanwaltschaft und gehörte von 1971 bis 1990 der
freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des
Staatsapparates an. Bei seiner Rentenberechnung war für 1978 bis 1990
nicht der tatsächliche Arbeitsverdienst zugrunde gelegt worden,
sondern das durchschnittliche Einkommen eines DDR-Bürgers. Der
tatsächliche Verdienst des früheren Staatsanwalts betrug laut Gericht
das Dreifache des DDR-Durchschnittseinkommens.

Die 14. Kammer des Berliner Sozialgerichts wies die Klage ab. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) sei für Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft eine besondere Rentenberechnung nach dem Durchschnittsverdienst vorgesehen.

Zugehörigkeit zum hierarchischen Überbau der StA

Von der Begrenzung seien nach dem Willen des Gesetzgebers Beschäftigte im Parteiapparat der SED, in der Regierung und im Staatsapparat erfasst, weil diese Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung gewesen seien beziehungsweise Weisungsbefugnisse gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit gehabt hätten. Ob der Kläger selbst konkret eine Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS gehabt habe, könne dahingestellt bleiben, denn er habe jedenfalls dem hierarchischen Überbau der Staatsanwaltschaft angehört.

Die Berliner Richter hallten die § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG auch für verfassungsgemäß. Nach der insoweit übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parallelvorschrift für Minister sei der Gesetzgeber gegenüber spezifisch eingegrenzten Gruppen wegen derenn allgemeiner privilegierter Sonderstellung in der DDR zu Rentenkürzungen berechtigt, ohne lange Ermittlungen zu deren Beschäftigungs-, Qualifikations- und Einkommensstruktur anstellen zu müssen (BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010, Az. 1 BvL 9/06).

Damit wurde die Argumentation des Ex-Staatsanwalts zurückgewiesen, der ein verfassungs- und menschenrechtswidriges "Rentenstrafrecht" kritisiert hatte. Das Urteil kann angefochten werden und ist noch nicht rechtskräftig.

Noch immer geht es in Prozessen am bundesweit größten Sozialgericht um die DDR-Vergangenheit, wie Sprecher Marcus Howe weiter mitteilte. Einstige politische Gefangene und Dopingopfer forderten Entschädigungen für bleibende Gesundheitsschäden, ältere Menschen stritten um die Höhe ihrer Rente. "Die Kläger kämpfen auch um die Anerkennung ihrer Lebensleistung", erklärte Howe.

dpa/pl/LTO-Redaktion

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Zitiervorschlag

SG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4457 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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