Rund 600 Deutsche hat die Terrormiliz Islamischer Staat schon nach Syrien und in den Irak gelockt. Was passiert mit den Rückkehrern? Justizminister der Länder warnen vor der Gefahr der Radikalisierung in Gefängnissen.
Radikale Salafisten stellen die Gefängnisse nach Ansicht der Landesjustizminister zunehmend vor besondere Probleme. Es sei damit zu rechnen, dass Rückkehrer aus Syrien in den baden-württembergischen Gefängnissen inhaftiert würden, sagte der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Baden-Württembergs Ressortchef Rainer Stickelberger (SPD), am Montag in Stuttgart.
Stickelberger sagte, er würde es begrüßen, wenn es mehr Imame als Ansprechpartner für muslimische Gefangene gäbe. "Da der Islam anders als etwa die christlichen Kirchen in Deutschland bislang nicht hinreichend institutionalisiert ist, haben wir allerdings Schwierigkeiten, überhaupt konkrete Ansprechpartner zu finden." Derzeit werde mit dem Integrationsministerium und dem Finanz- und Wirtschaftsministerium beraten, wie sich trotzdem eine umfassende muslimische Seelsorge in den Haftanstalten organisieren lasse.
Für den Umgang mit Salafisten und Islamisten gebe es "kein Allheilmittel", betonte Stickelberger. Bei ihrem Treffen am Mittwoch und Donnerstag in Stuttgart wollen die Justizminister der Bundesländer ihre Erfahrungen im Umgang mit solchen Gefangenen austauschen. Salafisten sehen sich als Verfechter der ursprünglichen Islams, Islamisten folgen einer politischen Ideologie.
Terroristen in Frankreich kannten sich aus Gefängnissen
Stickelberger: "Man muss davon ausgehen, dass da ein enormes Gewaltpotenzial vorhanden ist." Deswegen müsse man Gefangene mit radikal-islamistischem Gedankengut entsprechend beobachten, kontrollieren und notfalls reagieren - sie etwa in ein anderes Gefängnis verlegen. Dafür werde das Personal in Haftanstalten im Südwesten gezielt geschult. Auch gebe es Deeskalationsstrategien, wie etwa Programme zur Gewaltprävention, die sich an Personen richteten, die für politisch motivierten Extremismus anfällig erscheinen.
Mindestens 600 radikale Islamisten aus dem ganzen Bundesgebiet sind bisher nach Angaben des Verfassungsschutzes in das Kampfgebiet der Terrormiliz Islamischer Staat nach Syrien und in den Irak ausgereist - Tendenz steigend. Etwa 200 sind wieder zurück in Deutschland. In Baden-Württemberg sind derzeit sechs Gefangene mit radikal-islamischem Gedankengut bekannt.
Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Hannover: "In Frankreich kannten sich die Terroristen bei den Vorfällen rund um den Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo aus den Gefängnissen." Obwohl der Strafvollzug dort anders organisiert sei als in Deutschland, sei es "ein absolutes Muss", das Problem auch hier im Blick zu behalten.
Eine bundesweit zentrale Steuerung von Deradikalisierungsprogrammen für Salafisten in Haft macht dabei laut Niewisch-Lennartz keinen Sinn. "Es gibt in den einzelnen Ländern schon ganz hervorragende Projekte, und wir sehen einen Vorteil darin, wenn die Länder untereinander die besten Projekte austauschen", so die Ministerin. "Wenn man es zentral organisiert, hat man einen Wasserkopf, aber nicht unbedingt die jeweils besten Projekte vor Ort."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Umgang mit Jihad-Rückkehrern: . In: Legal Tribune Online, 15.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15864 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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