Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren: Finanzrichter kritisieren Gesetzentwurf

von nbu / LTO-Redaktion

10.06.2010

Die Präsidenten der Finanzgerichte und des BFH haben zum Referentenentwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Stellung genommen. In einer anschließenden gemeinsamen Stellungnahme kritisierten sie vor allem die geplante OLG-Zuständigkeit und die Einbeziehung des Einspruchsverfahrens in die Verfahrensdauer.

Der Referentenentwurf will auf Grundlage der Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) eine Rechtsschutzlücke schließen. Er schlägt vor, für überlange Gerichtsverfahren einen Entschädigungsanspruch einzuführen, über den die Oberlandesgerichte entscheiden sollen. Der Anspruch soll die materiellen und einzelfallabhängig auch die immateriellen Nachteile erfassen. Er soll sich hiernach auf alle gerichtlichen Verfahren sowie auf das Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage im Strafverfahren erstrecken.

Wie die Gerichtspräsidenten der Finanzgerichtsbarkeit in ihrer Stellungnahme erklärten, sei eine Zuständigkeit der Oberlandesgerichte wegen der steuerrechtlich schwierig zu beurteilenden Sachverhalte bei Entschädigungsklagen in finanzgerichtlichen Verfahren sachlich jedoch nicht zu rechtfertigen; es sei zu erwägen, die Entscheidung in den Bereich des Bundesfinanzhofes zu übertragen. Als problematisch gelte ferner, dass bei Auslagerung der Entschädigungsklagen die im Ausgangsverfahren postulationsfähigen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei eventuell nachfolgenden Prozessen nicht weiter zur Vertretung berechtigt wären.

Die Einbeziehung des Einspruchsverfahrens in die zu berücksichtigende Verfahrensdauer des finanzgerichtlichen Verfahrens ist ebenfalls nicht gerechtfertigt, so die Präsidenten. Denn der Einspruchsführer könne durch Erhebung einer Untätigkeitsklage das überlange Vorverfahren selbst verhindern. Dies widerspreche auch nicht Art. 6 EMRK, da steuerrechtliche Verfahren nicht in den Schutzbereich der europäischen Norm fallen.

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen wird mit erheblichen zusätzlichen Kosten für die Finanzgerichtsbarkeit gerechnet - eine Verbesserung der Kosten-Nutzen-Relation sei nicht in Sicht.

Zitiervorschlag

Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/685 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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