Überraschende Wende im polnischen Justizstreit: Polens Präsident will von seinem Vetorecht Gebrauch machen und die zwei umstrittene Gesetze der Nationalkonservativen stoppen, hieß es am Montag.
Polens Präsident Andrzej Duda will die umstrittene Justizreform der nationalkonservativen Regierung stoppen. Beunruhigung und Ängste in der Bevölkerung vor einer oppressiven Regierung seien zu groß gewesen, begründete er am Montag bei einer überraschend einberufenen Pressekonferenz in Warschau die schnelle Entscheidung und kündigte sein Veto gegen die heftig kritisierte Neuordnung des Obersten Gerichts und des die Unabhängigkeit der Justiz überwachenden Landesrichterrats an.
Duda sagte, er werde die Reformen zur Überarbeitung ins Parlament zurückgeben. Er werde binnen von etwa zwei Monaten eigene Entwürfe ausarbeiten und dafür Experten konsultieren. Am Montag traf er bereits die Vorsitzende des Obersten Gerichts, auch ein Treffen mit dem Leiter des Landesrichterrats stand auf dem Plan.
Seit Tagen hatten tausende Menschen in Warschau und anderen polnischen Städten protestiert und vor einer Bedrohung der Gewaltenteilung gewarnt. Auch die EU-Kommission hatte einen sofortigen Stopp der Gesetzesarbeiten gefordert und mit Sanktionen wie dem Entzug der Stimmrechte gedroht. Das Gerichtswesen müsse dringend reformiert werden, sagte Duda. "Die Änderungen müssen so erfolgen, dass Gesellschaft und Staat nicht gespalten werden"
"Gefühl von Gerichtkeit und Sicherheit geben"
Die umstrittenen Gesetze sollten es der Regierung ermöglichen, Richter des Obersten Gerichts in den Ruhestand zu schicken und ihre Posten neu zu besetzen. Die Richterposten in dem über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrat (KRS) sollten ebenfalls neu besetzt werden. Kritiker fürchteten, dass ein befangenes Oberstes Gericht sogar Wahlen für ungültig erklären könnte. Mühelos hatten die Reformen das Parlament passiert, in dem die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski mit absoluter Mehrheit regiert.
Duda argumentierte, die neuen Gesetze müssten der Bevölkerung ein Gefühl von Gerechtigkeit und Sicherheit geben und verfassungskonform sein. Experten hatten bei den PiS-Reformen Verfassungsbedenken geltend gemacht und vor einem zu großen Einfluss der Regierenden auf Richter und Gerichte gewarnt. Diesen kritisierte auch Duda. "In Polen gibt es keine Tradition, dass der Generalstaatsanwalt in die Arbeiten des Obersten Gerichts eingreifen kann", kommentierte er die Entwürfe der PiS, denen zum Inkrafttreten nur noch seine Unterschrift gefehlt hatte.
Eine dritte Reform kommt durch
Allerdings kündigte die Präsidentenkanzlei auch an, dass Duda eine dritte umstrittene PiS-Reform unterschreiben werde. Sie wird dem Justizminister Zbigniew Ziobro, der auch das Amt des Generalstaatsanwalts ausübt, ermöglichen, Gerichtsvorsitzende zu ernennen. Dennoch überwog unter Demonstranten vor dem Warschauer Präsidentenpalast zunächst Jubel. "Wir sind die Verfassung", feierten sie ihren erfolgreichen Protest. Juristen und Opposition begrüßten die Entscheidung. "Ich bin positiv überrascht", sagte auch der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa.
Die PiS berief indes eine Krisensitzung im Warschauer Parteisitz ein. Kommentare wollten hochrangige Vertreter wie Chef Jaroslaw Kaczynski und Regierungschefin Beata Szydlo zunächst nicht abgeben. Lediglich Polens Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Finanzen Mateusz Morawiecki gab an, "überrascht" und "enttäuscht" zu sein.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Umstrittene Justizreform in Polen: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23575 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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