Bis in Deutschland Zugstrecken und andere Verkehrsprojekte geplant und gebaut sind, kann es Jahre dauern. Um mehr Tempo zu erreichen, sollen Gesetzesänderungen kommen. Nicht allen reicht das aus.
Bauprojekte wie neue Bahnsteige, Mobilfunkmasten oder Windräder sollen künftig deutlich schneller in Gang kommen. Das sehen Gesetzespläne von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer vor, die das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. "Wir beschleunigen Genehmigungen, verkürzen Gerichtsverfahren, sorgen für schnelleres Baurecht, entschlacken die Verfahren", sagte der CSU-Politiker. Dafür sollen unter anderem auch Umweltprüfungen erleichtert werden. Die Industrie reagierte enttäuscht, aus der Opposition kam Kritik.
Scheuer sagte: "Wir wollen schneller bauen - für eine starke Wirtschaft und klimafreundliche Mobilität." Für bestimmte Vorhaben im Schienennetz soll daher künftig keine Baugenehmigung durch ein eigenes Planfeststellungsverfahren mehr nötig sein. Dazu gehören elektrische Oberleitungen auf bestehenden Strecken, digitale Signal- und Sicherungstechnik, Schallschutzwände oder Umbauten an Bahnsteigen - zum Beispiel, wenn sie erhöht, verlängert oder auch für Menschen mit Behinderungen nutzbar gemacht werden sollen.
Beim Bau von Landesstraßen, Hafenprojekten oder Windrädern sollen direkt Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe für die Klärung von Streitigkeiten zuständig sein - damit wird eine Instanz gespart. Zudem sollen Richter flexibler eingesetzt und Kompetenzen gebündelt werden können. Überregional wichtige Vorhaben, etwa aus den Bundesverkehrswegeplan oder dem Mobilfunkausbau, sollen nach der behördlichen Genehmigung sofort gebaut werden können, ohne dass Widersprüche oder Klagen einen Baustart aufhalten.
Verkürzte Verfahren und Digitalisierung
Im Genehmigungsprozess soll häufiger auf die erste Stufe verzichtet werden können, in der überregionale Auswirkungen eines Projektes geprüft werden. Ein solches Raumordnungsverfahren soll nicht mehr nötig sein, wenn keine Konflikte zu erwarten sind. Dieses Verfahren soll auch durch Online-Veröffentlichungen stärker digitalisiert werden, wie das Ministerium erläuterte. Künftig soll demnach öfter direkt das Planfeststellungsverfahren zum Erteilen von Baurecht beginnen. Ein solches "Investitionsbeschleunigungsgesetz" hatten die Spitzen der großen Koalition im März grundsätzlich angestoßen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "wichtigen Zukunftssignal für Deutschland als Investitionsstandort" und einem "guten Signal für die Energiewende". Das Umweltministerium hob hervor, dass Lockerungen nicht beliebig vorgesehen seien, sondern gerade bei Investitionen in die klimafreundliche Schiene.
Kritik: frühe Bürgerbeteiligung nicht vorgesehen
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte, die Koalition bleibe "weit hinter ihren Ankündigungen zurück". Zentrale Forderungen der Wirtschaft, etwa ein konsequenteres Vorgehen gegen missbräuchliche Klagen und jahrelange Gerichtsverfahren, würden nicht umgesetzt. "Jede verschleppte Brückensanierung, jede marode Schleuse und jede verzögerte Schienenstrecke schaden dem Industriestandort und damit dem Wohlstand Deutschlands." Der Nationale Normenkonrollrat, der die Bundesregierung berät, bemängelte fehlende Angaben dazu, wie viel Zeit beim Planen und Bauen eigentlich eingespart werden soll.
Umweltschützer begrüßten, dass wichtige Beschleunigungsmaßnahmen auf Bahnstrecken und Windenergie beschränkt wurden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beklagte aber auch, die Koalition habe sich die Umweltverbände als Sündenböcke für lange Planungszeiten auserkoren und versäume es, für eine frühere Bürgerbeteiligung zu sorgen. Fehler könnten dann nur vor Gericht geheilt werden. Auch SPD-Fraktionsvize Sören Bartol mahnte, es brauche "frühzeitig eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe", um Klagen zu vermeiden. Zudem müsse Personal in den Planungsämtern aufgebaut werden. Das Gesetz lobte er aber als wichtigen Schritt, Investitionen schneller voranzubringen.
Aus der Opposition kam Kritik. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sprach von einem "mutlosen Minimalkompromiss", den das Umweltministerium "verwässert" habe. Dagegen mahnte der Linke-Politiker Lorenz Gösta Beutin, mehr Infrastruktur dürfe nicht auf Kosten von Bürgerbeteiligung und Umweltschutz gehen.
Scheuer hatte bereits einige andere Beschleunigungs-Regelungen umgesetzt. Damit können unter anderem Bahnübergänge leichter beseitigt werden, die Züge wie Autos ausbremsen. Bei Ersatzbauten für marode Straßen und Schienenstrecken gelten einfachere Verfahren. Zudem kann der Bundestag ausgewählte umweltfreundliche Schienen- und Wasserstraßenprojekte direkt per Gesetz genehmigen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Pläne des Bundesverkehrsministeriums: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42478 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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