CDU zieht Antrag zurück: Keine Döner-Ober­g­renze in Heil­b­ronn

von Tanja Podolski

11.11.2024

Die Debatte über Obergrenzen von Döner- und Barber-Shops in Heilbronn ist beendet. Parteiübergreifend wird die Stadt ein Entwicklungskonzept für die Innenstadt aufsetzen. Das Thema bietet viel Stoff für eine Prüfung im Baurecht.

Die Forderung nach einer "Döner-Obergrenze" bringt mediale Aufmerksamkeit. Eine Lösung für die Herausforderung in der Innenstadt biete sie nicht. Nun ist der entsprechende Antrag der CDU vom Tisch: Der Gemeinderat hat sich parteiübergreifend dafür ausgesprochen, ein städtebauliches Entwicklungskonzept aufzusetzen. Die gemeinsame Initiative läuft unter dem Namen “Aufbruch Innenstadt”. Ziel ist q"mehr Vielfalt sowie die fortwährende Attraktivierung und Stärkung der Innenstadt". 

Vorausgegangen ist diesem gemeinsamen Beschluss eine bundesweite Debatte über die Möglichkeiten, "Döner-Obergrenzen" zu definieren. Denn der CDU-Stadtrat Christoph Troßbach hatte vor der Kommunalwahl im Mai mit der Forderung nach einer Obergrenze für Dönerimbisse, Nagelstudios, Barber-Shops und Ein-Euro-Läden punkten wollen. "Schmeckt gut. Aber halt nicht jeden Tag", hatte der Rechtsanwalt geäußert. Er könne in jeder Mittagspause bei einer anderen Bude essen, denn alleine in Laufweite seiner Kanzlei gebe es zahlreiche Drehspieße. Nach einem Gutachten von PwC, das Gewerbetreibende (Stadtinitiative Heilbronn) in Auftrage gegeben hatten, sollte eine Obergrenze möglich sein. Selbst der Landtag in Heilbronn formulierte: "Gutachter halten Obergrenze für rechtlich möglich". 

Andere Ansicht: Gutachten der Stadt

Auch die Stadt hatte daraufhin ein Gutachten in Auftrag gegeben: Die Stadt Heilbronn hatte die Partner Dr. Peter Schütz und Dr. Stephan Spilok beauftragt, die CDU-Forderung zu prüfen: Kann die Stadt die Ansiedelung von bestimmten Gastronomietypen wie Döner-Imbisse steuern? Die Partner der Stuttgarter Kanzlei Kasper Knappe kamen zu einer sehr differenzierten Bewertung der Rechtslage.

Es sei eine Frage der Feinsteuerung der baulichen Nutzung. Eine solche sei sowohl bei festgesetzten Baugebieten (§ 1 Abs. 2 Baunutzungsverordnung, BauNVO) als auch in unbeplanten Innenbereichen (§ 9 Abs. 2a Baugesetzbuch BauGB) möglich, das erlauben wiederum die Regelungen in § 1 Abs. 5 bzw. Abs. 9 BauNVO. Städtebauliche Konzepte wie Einzelhandelskonzepte, Zentrenkonzepte, Entwicklungskonzepte etc. können bei der planerischen Feinsteuerung herangezogen werden, § 9 Abs. 2a BauGB. Deren besonderer Wert liege darin, dass solchen Konzepten regelmäßig eine fachlich fundierte Bestandsaufnahme und Situationsanalyse zugrunde liege. Und die brauche es für die notwendige Abwägung, was zu planen ist. 

Die Anforderungen an Einschränkungen in der Nutzung aber hielten sie generell für "hoch", so die Anwälte in dem Gutachten. Diejenigen "Läden", die über eine Planung ausgeschlossen werden sollen, müssten nämlich klar abgrenzbar von anderen sein. Wie aber unterscheide sich ein Döner-Imbiss von einer Pommes-Currywurst-Bude oder ein Barber-Shop von einem Herrenfrisör? In letzterem gehe es immer um Schneiden/Frisieren/Färben/Waschen des Haupt- und Barthaares; Vertrieb von Haupt-/ Barthaarpflegeprodukten. Da stehe die Abgrenzbarkeit "sehr in Frage".

Im Übrigen müsste ein Ausschluss aus städtebaulichen Gründen gerechtfertigt sein. Dabei müssen die angeführten Gründe auch die rechtliche und tatsächliche Wirklichkeit abbilden: Eine Stadt kann sich für eine solche Begrenzung nicht auf Mutmaßungen oder Spekulationen berufen. Es bedarf also Studien oder Erhebungen, dass eine bestimmte Ansiedelung auch tatsächlich konkrete Auswirkungen auf die Stadt hat. 

Eine bloße Behauptung, wie von der CDU vorgetragen, dass es gelte, "die Innenstadt vor der gefährlichen und wert-vernichtenden Trading-Down-Spirale aus der gefürchteten „Fruchtfolge": Ein Euro-Laden, Barbershop, Dönerbude, 24-h-Automaten-Shop, Leerstand und steigender Kriminalität zu bewahren", reicht also nicht.

"Öffentliche Diskussion unter der falschen Überschrift"

Die Anwälte von Kasper Knacke haben Entscheidungen zusammengetragen, die sich mit derartigen Vorhaben befassten: Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland hat den Ausschluss von "Schank- und Speisewirtschaften sowie Betrieben des Beherbergungsgewerbes mit Geldspielgeräten" in einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB für zulässig gehalten (Urt. v. 12.12.2018, Az. 5 K 970/18). Dabei handele es sich um einen eigenen Anlagentypus bzw. eine bestimmte Betriebsart im Sinne des § 9 Abs. 2a BauGB, § 1 Abs. 9 BauNVO. Die Begründung des Gerichts überzeugte die Anwälte "freilich nur bedingt".

Das VG Gelsenkirchen befasste sich mit "Wasserpfeifengaststätten (Shisha-Bars)" und hielt diese für hinreichend abgrenzbare, in der sozialen wie ökonomischen Realität vorkommende Anlagen und daher für einen möglichen Gegenstand von bauleitplanerischen Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nach § 1 Abs. 9 BauNVO (Beschl. v. 01.07.2020, Az. 5 L 442/20). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW bestätigte die Entscheidung im Beschwerdeverfahren (Beschl. v. 19.08.2020 Az. 10 B 1087/20).

Das OVG Rheinland-Pfalz akzeptierte einen Bebauungsplan mit Unterscheidungen zwischen "Full-Service" und "Quick-Service" Gastronomie auf Grundlage von Veröffentlichungen des Hotel -und Gaststättenverbands (Urt. v. 17.09.2014, Az. 8 A 10302/14).

Was Kasper Knacke da zusammengestellt hat, reichte dem Gemeinderat jetzt jedenfalls für den Weg in einen neuen Aufbruch. Der Oberbürgermeister, Harry Mergel (SPD) teilte mit: "Leider ist die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen unter der falschen Überschrift gelaufen, die etwas suggeriert hat, was rechtlich nicht möglich ist. Ich bin dankbar, dass wir nun gemeinsam mit dem Gemeinderat vertrauensvoll an der guten Zukunft unserer Stadt weiterarbeiten können."

Zitiervorschlag

CDU zieht Antrag zurück: . In: Legal Tribune Online, 11.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55837 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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